Volltext: Verwaltungsbericht der Stadt Nürnberg des Jahres 1919 (1919,1 (1920))

Polizeiverwaltung 
Tätigkeit. Die Polizeipflegerin teilt sich in die Arbeit mit 3 Polizeihelferinnen in der 
Weise, daß sie selbst hauptsächlich die Arrestbesuche und die Beratung übernimmt, eine Helferin 
die dringlichsten Fürsorgemaßnahmen sofort ausführt, eine andere Schwester die zugeleiteten 
Alkten hinsichtlich gutachtlicher Außerungen mit den dazu erforderlichen Gängen erledigt, und 
die 3. Helferin die Schutzaufsicht für die bereits untergebrachten Pfleglinge ausübt. Jedes der 
JArbeitsgebiete ist sehr ausgedehnt und bedürfte dringend der Unterstützung durch weitere Kräfte 
In der Berichtszeit wurden 2416 Fälle (gegen 2014 im Fahre 1018) behandelt. 
Bei Anterbringung von Säuglingen und Kleinkindern wurde es als 
große Wohltat empfunden, daß nunmehr mehrere städtische Anstalten für diese Zwecke zur Ver⸗ 
fügung stehen. Das Wohlfahrtsamt hatte für die dringenden Vorstellungen über den drückenden 
Notstand ein williges Ohr, und es ist nun die baldige Eröffnung eines provisorischen städtischen 
Mütterheims neben dem bis jetzt benützten einzigen Heim des deutsch⸗evangelischen 
Frauenbundes zu erwarten. In absehbarer Zeit sollen dann größere Pläne verwirklicht werden. 
Die der Polizeipflegerin entweder durch die Polizei, das Vormundschaftsgericht, das 
Armenamt, die Wohnungsinspektion, die Lokalschulkommission oder durch den Schutz aufsichts- 
loser Kinder zugeteilten 312 Schulpflichtigen erforderten ein enges Zusammenarbeiten mit der 
Hauptstelle für die Jugendfürsorge. Manchmal gelang der einen Stelle, was die andere trotz 
aller Mühe nicht erreichte, manchmal führte auch die gemeinsame Arbeit nicht zum Ziele — 
zur Abstellung der Mißverhältnisse. Die Fürsorgearbeit an den Schulpflichtigen läßt 
immer wieder aufs neue den Mangel an Horten erkennen; es gibt immer noch eine Riesenschar 
von Kindern, die sich außerhalb der Schulzeit stundenlang auf den Straßen aufsichtslos umher— 
treibt. Große städtische Horte werden nie die erwünschte Anziehungskraft aus— 
üben, da sie bei der Schuljugend immer als eine Fortsetzung des Schulzwanges empfunden 
werden. Hier können nur ganz kleine, ja kleinste Kreise auf das einzelne Kind den erforder— 
lichen Einfluß ausüben. Notwendig ist die Vermehrung der verschiedenen bescheidenen Horte 
— im Sommer Jugendgärten — durch die Vereine und die Gewinnung einer Anzahlberufs— 
lboser Damen, die einigemale in der Woche je 5 Kinder um sich sammelten. 
Viel mehr Augenmerk müßte auch der volksschulentlassenen weiblichen 
JZugend zugewendet werden. Die Polizeipflegerin hatte sich mit einer ganzen Anzahl 14 
bis 15-Fähriger zu befassen, meist wegen allgemeiner Gefährdung, nicht selten wegen Taschen— 
diebstahls und Unzucht. Die Ursache ist vielfach in der häufigen Berkennung der Gefahren zu 
suchen, in die die Mädchen seitens der Eltern gebracht werden, wenn diese in die Arbeit gehen 
und den Mädchen anleitungslos die Führung des Haushaltes und die Aufsicht kleinerer Ge— 
schwister überlassen. Hier findet die Berufsberatung ein weites und wichtiges Feld 
ihrer Tätigkeit, das sie sogar auf den Besuch der Familie ausdehnen müßte. Die berufensten 
Hilfsorgane hierfür wären die Lehrerinnen der Oberklassen. 
Die Fürsorgemöglichkeit für die er wer bsfähige Jugend gestaltet sich mannig— 
faltiger. Verständigung der auswärtigen Erziehungsberechtigten bei entlaufenen Töchtern, 
Rückleitung der ohne Zweck in die Großstadt Hereinflutenden in den Heimatsort, Verbringung 
in Arbeit oder in Dienst, Versorgung von Halt- und Hilflosen in Anstalten waren die häufigsten 
Maßnahmen. In erster Linie mußte für sofortiges Obdach gesorgt werden. Dies geschah 
möglichst durch Übergabe an die Eltern, in anderen Fällen zunächst durch Unterbringung in den 
hier bestehenden Heimen (Stadtmissions-⸗, St. Elisabethheim, Mädchenheim der Jugendfür— 
sorge). Ohne solche Schutzhäuser wäre die Arbeit der Polizeipflege nur halbe Arbeit. 
Die Überfüllung des städtischen Krankenhauses mit Geschlechtskranken hat 
den großen und sehr bedauerlichen Mißstand zur Folge, daß die Trennung Jugendlicher von den 
Erwachsenen nicht in der notwendigen Weise durchgeführt werden kann. Daraus ergibt sich 
ein moralisch sehr unheilvoller Einfluß auf die Jugendlichen.
	        
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