Volltext: Kaiser Wilhelm der Erste

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Der kranke Königssohn aber machte sich auf und eilte, seiner 
Leiden vergessend, in die noch winterlich rauhe Heimat, um Krone 
und Reich zu übernehmen und dem geliebten Vater, dessen teure 
Züge er nicht mehr sehen konnte, die letzte Ehre zu erweisen. Am 
16. März, dem Tage des Begräbnisses, stand er, jetzt selbst König 
und Kaiser, in dem königlichen Schlosse zu Charlottenburg am 
Fenster und harrte, tiefstes Weh im Herzen, des feierlichen Zuges, 
der den Verewigten am Schlosse vorbei zu seiner Ruhestätte 
bringen sollte. 
Vom Dome aus, wo des Kaisers sterbliche Hülle, von 
Kränzen und Blumen umgeben, fünf Tage aufgebahrt lag, wo 
in diesen Tagen Hunderte und Tausende sich drängten, um an 
dem Sarge vorüberschreitend das ehrwürdige Antlitz noch einmal 
zu sehen, setzte sich nach einem feierlichen Gottesdienst um die 
Mittagszeit der große Trauerzug unter dem Geläute aller 
Glocken und dem Donner der Kanonen in Bewegung. Langsam 
ging es die Straße Unter den Linden entlang, deren Häuser 
und Paläste mit reichstem Trauerschmuck bedeckt waren. Voran 
zogen 8 Schwadronen und 8 Bataillone der Garde und 12 Ge— 
schütze der Garde-Artillerie, die Fahnen und Standarten mit 
schwarzem Flor verhüllt; ihnen folgten die Minister und die 
Beamten des königlichen Hauses, die Kroninsignien tragend. 
Nun kam der Leichenwagen, von acht schwarzverhüllten Pferden 
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folgte Prinz Wilhelm, und mit ihm ein langer Zug von Königen, 
Fürsten oder Abgesandten aus allen Staaten Europas, die Mit— 
glieder des Reichstags und die Vertretungen der deutschen Städte. 
In ehrfurchtsvollem Schweigen stand auf beiden Seiten des Zuges 
die Menge, Kopf an Kopf gedrängt. Auf der Innenseite des 
Brandenburger Thores, durch das der Verstorbene dreimal, als 
jugendlicher Prinz, als König und als Kaiser, den siegreichen 
Einzug gehalten hatte, und durch das er jetzt hinauszog nach 
seiner stillen Gruft, winkte eine Inschrift mit den Worten: „Vale, 
senex impeérator!“ (Ehrwürdiger Kaiser, fahre wohl!) den letzten 
Abschiedsgruß der dankbaren Hauptstadt. Draußen aber, in der 
weihevollen Stille des Mausoleums in Charlottenburg, wo seine 
geliebten Eltern schlummerten, wo er so oft in schweren Stunden
	        
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