Full text: Kaiser Wilhelm der Erste

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schön,“ antwortete der Sterbende. „Weißt Du, daß Mama an 
Deinem Bett sitzt und Dir die Hand hält?“ fragte sie wieder. 
Da schlug der Kaiser zum letzten Male die Augen auf, ließ sie 
lange auf seiner Gemahlin ruhen und schloß sie für immer. Der 
Geistliche segnete den Sterbenden ein mit den Worten: „Der 
Herr behüte Deinen Ausgang und Deinen Eingang von nun 
an bis in Ewigkeit! Ziehe hin in Frieden! Es ist noch eine 
Ruhe vorhanden dem Volke Gottes. Vater, in Deine Hände 
befehlen wir seinen Geist, .Du hast ihn erlöst, Du treuer 
Gott.“ Am 9. März, um 8 Uhr 28 Minuten, war der Kaiser 
oerschieden. 
Um die Mittagsstunde dieses Tages machte der Reichskanzler 
dem versammelten Reichstag und Bundesrat von dem Hinscheiden 
des Kaisers amtliche Mitteilung. Seine Rede schloß er mit dem 
Wunsche: „Die heldenmütige Tapferkeit, das nationale Ehrgefühl, 
die treue, arbeitsame Pflichterfüllung und die Liebe zum Vater— 
lande, die in unserm dahingeschiedenen Herrn verkörpert waren, 
mögen sie ein unzerstörbares Erbteil unserer Nation sein, das 
uns der aus unserer Mitte geschiedene Kaiser hinterlassen hat.“ 
Als der Kanzler seine Rede beendet hatte, übermannte ihn der 
Schmerz. Er lehnte sich in seinen Sessel zurück, bedeckte sein 
Angesicht und weinte bitterlich. Moltke trat auf ihn zu und 
reichte ihm schweigend die Hand. Da richtete er sich auf und 
sagte ernst und fest: „Des Dienstes immer gleich gestellte Uhr 
hält uns im Gleise.“ 
Von der Hauptstadt aber eilte an demselben Tage durch 
ganz Deutschland von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorf die 
Kunde: „Der Kaiser ist tot!“ Und über Berg und Thal, über 
Flüsse und Meere, von Erdteil zu Erdteil eilte die Kunde: „Kaiser 
Wilhelm ist tot!“ Und zu dem kranken Königssohn an den 
milden Gestaden des Mittelmeers eilte die Kunde: „Dein Vater, 
der König und Kaiser ist tot!“ Und überall im deutschen Reiche 
und weit über dessen Grenzen hinaus, ja in allen Ländern der 
gesitteten Welt erfüllte sie die Herzen der Menschen mit tiefer 
Trauer um den edlen, allverehrten Herrscher, der in seiner glor— 
reichen Regierung zu den Lorbern des Krieges die noch edleren 
Palmen des Friedens errungen hatte.
	        
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