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vollen Namen auf die Urkunde. Daneben weilten seine Gedanken
viel bei dem kranken Sohne. Sein Herzenswunsch, diesen vor
seinem Ende noch einmal zu sehen und zu umarmen, wurde ihm
nicht mehr erfüllt. Zusehends sanken seine Kräfte. Am Donners-
tag den 8. März begrüßte er noch den Großherzog von Baden
und dessen Gemahlin, seine Tochter Luise. Bismarck und Moltke,
Prinz Wilhelm und viele andere Mitglieder des königlichen
Hauses versammelten sich um das Sterbebett, das Kaiserin
Augusta in den letzten Tagen nicht mehr verlassen hatte. Der
Hofprediger Dr. Kögel sprach zu dem Sterbenden trostreiche
Worte aus Bibel und Gesangbuch: „Ob ich schon wanderte im
finstern Thal, fürchte ich kein Unglück, denn Du bist bei mir,
Dein Stecken und Stab tröstet mich“, und seine Lieblingsverse:
„Wenn ich einmal soll scheiden, so scheide nicht von mir“, „Christi
Blut und Gerechtigkeit, das ist mein Schmuck und Ehrenkleid“,
„Mach' End', o Herr, mach' Ende mit aller unsrer Not.“ Der
Kaiser antwortete: „Das ist schön.“ Und als der Geistliche fort—
fuhr: „Herr, nun lässest Du Deinen Diener in Frieden fahren;
denn meine Augen haben Deinen Heiland gesehen,“ wiederholte
er laut: „Meine Augen haben Deinen Heiland gesehen.“ Noch
einmal verlangte er nach dem Prinzen Wilhelm und nach Moltke,
denen er mit der letzten Kraft des schwindenden Lebens die
Sorge für das Vaterland ans Herz legte. Als ihn die Groß—
herzogin bat, sich zu schonen, erwiderte er mit vernehmlicher
Stimme: „Ich habe jetzt keine Zeit, müde zu sein.“ Um 4 Uhr
morgens, es war nun der 9. März, betete Dr. Kögel das Lied:
„Erscheine mir zum Schilde,
Zum Trost in meinem Tod,
Und laß mich sehn Dein Bilde
In Deiner Kreuzesnot.
Da will ich nach Dir blicken,
Da will ich glaubensvoll
Dich fest an mein Herz drücken:
Wer so stirbt, der stirbt wohl!“
Nach einiger Zeit sprach Dr. Kögel gemeinsam mit der Kaiserin
das Vaterunser und einen Spruch aus der Bibel. „Hast Du es
verstanden?“ fragte die Großherzogin leise den Vater. „Es war