Im heiligen Chestand.
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Meister Wolgemut redete noch eine Weile mit dem ehe—
maligen Schüler, bis Frau Agnes erschien. Mit dieser wechselte
er noch etliche herzliche Worte, dann ging er von dannen.
Frau Agnes machte ein müdes Gesicht. Sie war seit zwei
Tagen nicht ins Bett gekommen und mit Hausfrauenarbeit über—
lastet gewesen. Sie setzte sich still an den Tisch und stützte den
Kopf in die Hand.
Dürer trat auf sie zu und küßte ihr die Stirn. „Du
armes Weib, wie viel liegt anjetzo auf dir! Hättest dir bei mir
wohl bessere Tage geträumt!“
Agnes schaute zu ihm auf mit einem Blick voll linden
Vorwurfs. „Du loser Mann, wie magst du solche arge Rede
führen! Von Jugend auf ist mir nichts verhaßter denn Müßig—
gang, und wie süß wird mir auch die sauerste Müh, wenn ich
sie aufwende um deinetwillen!“
„Du trautes Weib!“ rief Albrecht glückselig und umfing
seine Agnes mit warmer Inbrunst. Danach setzte er sich ihr
gegenüber und begann zu plaudern, denn des Abendrotes letzter
Schein war verglüht und an ein Weiterarbeiten nicht mehr
zu denken.
Agnesens Antworten wurden immer karger, und er merkte
bald, wie ihre Augen mit dem Schlummer rangen, bis sie sich
endlich gar schlossen. Da stand er leise auf, holte Pergament
und Stift und zeichnete seine Agnes, wie sie da saß, mit dem
Hausschurz und der weißen Kopfhaube, das Kinn im Schlummer
auf den Rücken der Hand stützend.
Es war nur eine flüchtige Skizze, ein Scherz, aber groß
war die Freude der Erwachenden, als sie ihr Abbild vor sich
liegen sah.
In dem kam der Hans hereingestürmt, Albrechts jüngster
Bruder, ein Knabe von fünf Jahren, der Eltern Liebling, als
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