10*
Pferde sitzenden Dame gegen den Wald sprengt. Besonders die
Stellung des Pferdes könnte an das Roß des hl. Georg in der
Theresienstraße erinnern.
84.
Seit der Mitte des fuünfzehnten Jahrhunderts war das Trachten
der oberdeutschen Malerei, die von den Einflüssen des flandrischen
Realismus durchdrungen war, von den flachdekorativen Menschen⸗
darstellungen in gezwungener Haltung zu unmittelbarer Bewegung und
zu psychologischem Ausdrucke zu gelangen. Das Individuelle wurde
harakteristisch betont, wobei selbst die schärfste und herbste Nachbildung
aicht gescheut wurde. Gleiche Tendenzen hatte die Plastik, nachdem sie
sich von der Architektur losgelöst hatte. Wenn sie im Anfange des
Jahrhunderts noch Reste des altertümlichen gotischen Stiles in seiner
Starre verrät, so gelang es ihr doch früher als der Malerei, sich von
dem einseitigen Realismus zu befreien und in die Gestalten Lebens—
wahrheit und seelische Tiefe hineinzulegen. Von der Malerei über⸗
nahm sie besonders im Relief die malerische Tendenz und gab ihr
dafür eine plastische Durchbildung der Gestalten. Man sah alles
plastisch, und Adam Krafft war es, der den Gestalten im Relief den
Schein des Körperhaften verlieh. Dies übertrug nun Dürer — es
mag auch von Einfluß gewesen sein, daß er als Goldschmied anfing
— auf die Malerei und „richtete seine Blicke stärker auf die Formen—⸗
gebung des Einzelnen als auf einen allgemeinen malerischen Schein“.
Er war wesentlich Plastiker, er dachte nie in Farben, wie es etwa ein
Rembrandt oder ein Franz Hals gethan hatte, er wollte auch nicht
koloristische Wirkungen wie Raphael, Correggio oder gar Tizian er—
zielen. In diesem Sinne war Dürer kein Maler, was seine Künstler—
natur wohl empfand und gestand: er war Zeichner, und in der Zeichnung
leistete er was ihn so bedeutend machte. Ja, die Farbe macht bei ihm
oft den Eindruck einer spätern Zuthat. Holbein d. j. sein Zeitgenosse und
etwas jünger, vereinte Farbe und Zeichnung zu etwas Vollkommenem,
zeichnete fehlerlos, erfand großartig und geschmackvoll und stellte die
Natur in reinster Wahrheit dar. Aber Dürer erscheint neben Holbein
H. Grimm zufolge ist die Zeichnung sieben Jahre früher entstanden, sie blieb
unfertig liegen. 1496 nahm er das Blatt wieder vor, fügte einiges hinzu und
setzte die Jahreszahl darauf Fünfzehn Essays, erste Folge 1884, Nr. 20, p. 8338).
In frühern Jahren mag Dürer um so mehr unter Kraffts Einfluß gestanden
haben.