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lele aus der weltlichen Ritterdichtung in dem „Chevalier delibere“
des Olivier de la Marche, der 1488 in französischer und nieder-
ländischer Sprache erschien. Hier kämpft der Ritter im Harnisch
„Pouoir“ mit dem Schwerte „Coraige‘, der Tartsche „Bon espoer“
und der Lanze „Aventurer‘“ auf dem Rosse „Vouloer‘“ gegen den
Feind Tod.*
Die ganze Zeit war eben erfüllt von Gedanken an das
Rittertum weltlicher wie geistlicher Art und der Höhepunkt liegt,
wie schon aus den Jahreszahlen der angeführten Quellen zu er-
sehen ist, gerade in den letzten Jahrzehnten des 15. und den ersten
des 16. Jahrhunderts.
Nunmehr können wir auch recht gut beurteilen, wie Eras-
mus von Rotterdam, als er sich im Jahre 1497 an die Aus-
arbeitung seines Handbüchleins des christlichen Ritters machte,
nicht ein neues geflügeltes Wort zu prägen brauchte, sondern an
eine durch die deutsche Mystik längst volkstümlich gewordene
Vorstellung anknüpfte, einen Titel wählte, der gerade damals die
beste Einführung bedeutete, die er seinem Buche zu geben ver-
mochte. Dass seine Schrift von den zahlreichen vorreformatorischen
Bearbeitungen dieses Thema’s die bedeutendste gewesen sein muss,
erhellt wohl — abgesehen von der überragenden geistigen Grösse
des Verfassers — aus der Thatsache ihrer ungeheueren späteren
Verbreitung... Aber in den Grundgedanken und den Hauptbe-
standteilen fand ich, soweit ich das ohne allzugrosse Zersplitterung
der Arbeitskraft festzustellen vermochte, keinen wesentlichen
Unterschied zwischen der Schrift des grossen Rotterdamer Gelehr-
ten und den vorhergehenden und gleichzeitigen volkstümlichen
Fassungen des gleichen Gegenstandes, stellenweise sogar wörtliche
Herübernahme ganzer Gedankenfolgen aus der mystischen Volks-
litteratur. Bis zum Beginn der Reformation. tritt daher auch die
lateinisch geschriebene Schrift nicht sonderlich hervor, wie Erasmus
in der oben zitierten Briefstelle selbst beklagt. Dass sie dann mit
einem Male so ungeheure Aufnahme findet, 1520 in’s Deutsche
1 Die französ. Ausgabe mit den interessanten Holzschnitten hrsgb.
von Friedrich Lippmann in der Bibliographical Society 1898, die
niederdeutsche Uebersetzung von J. Bolte ın der Tydschrift vor nederl
Taalkunde, Jahrgang 1893 p. 3009.