5
Einleitung.
unserer Zeit gemessen, den höchsten Anforderungen der
Kunst nur selten genügen, vielmehr neben vielem Vortreff—
lichen auch viel Minderwertiges sich findet, so schaut doch
überall das „getreuherzige“ Antlitz des deutschen Bürgers
jener Zeit heraus, freundlich und fromm, schalkhaft und
fröhlich, behäbig und zufrieden, daß wir gern in das Lob
unseres Dichters einstimmen, die Anerkennung, die ihm nach
langer Verachtung Goethe gezollt hat, wohl verstehen
und ebenso die glanzvolle Verherrlichung, die ihm durch
Richard Wagner in den Meistersingern geworden ist.
So ist denn mit Recht 1894 Hans Sachsens 400. Ge—
burtstag als ein deutsches Nationalfest begangen worden,
vor allem aber hat Nürnberg seinen großen Dichter und
Bürger nach Gebühr glänzend gefeiert.
Denn ohne Nürnberg wäre Hans Sachs nicht, was
er ist; mit allen Fasern seines Wesens ist er mit dieser
Stadt verwachsen. Nürnberg, damals die erste Handels—
stadt Deutschlands, zeigt das deutsche Bürgertum in seinem
höchsten Glanz: hier blühten Handel und Gewerbe, hier
regte sich das mannigfaltige Leben, das Hans Sachs in
seinen Dichtungen zum Ausdruck bringt; hier kehrten Kaiser
und Fürsten zu Rate ein, hier übten große Meister ihre
Kunst, Albrecht Dürer, Veit Stoß, Adam Kraft
und andere, hier wirkten bedeutende Humanisten, wie
Willibald Pirkheimer, hier kämpften fromme Lands—
knechte im Dienste der Stadt gegen die ihre Freiheit be⸗
drohenden Fürsten, hier fand die „Wittenbergische
Nachtigal!“ ein williges Ohr, hier hielten die Meistersinger
Schule und übten die „hol dselige Kunst“. Alle diese Zůge
finden wir in den Werken Hans Sachsens, des bürgerlichen
Dichters, wieder; Nürnberg ist der Boden, auf dem er er—⸗
wachsen und geworden ist; sein Leben an sich ist das eines
ehrsamen Bürgers und Handwerksmeisters, frei von roman—
tischen oder aufregenden Ereignissen.
Hans Sachs hat in der „Summa aller meiner
Gedichte“ sein Leben selbst erzählt, der einzigen zuverlässigen