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Hans Sachs.
Handwerks zu warten und sich auf das Schuhemachen zu be-
schränken. Er aber liess sich nicht abhalten, seine poetischen
Flugblätter in die Welt zu streuen und in freimüthiger, aber
zugleich ruhiger Weise, wie ich sie oben angedeutet, seinem
Herzen Luft zu machen.
Er hat Luther von Auge zu Auge gesehen. Zwei Jahre
nach dem glaubensstarken, kühnen Auftreten des Reformators
in Worms begrüsst er ihn als die Wittenberger Nachtigall,
die das von dem Löwen, d. h. von dem Papste, in die Wüste
verlockte Volk mit süsser Stimme zurückrufe.
Wach auf, es nahet gen dem Tag!
Ich hör’ singen im grünen Hag
Eine wonnigliche Nachtigall ;
Ihr” Stimm’ durchdringet Berg .und Thal.
Die Nacht neigt sich gen Occident,
Der Tag geht auf von Orient;
Die rothbrünstige Morgenröth
Her durch die trüben Wolken geht,
Daraus die lichte Sonne thut blicken.
Luther’s Tod betrauert er in einem Gedichte, Epitaphium
genannt, worin er die Schlosskirche zu Wittenberg als Tempel
der Trauer hergerichtet darstellt. und am Sarge des Reformators
eine weissgekleidete Frau, die Theologia, ihre Klage erheben
läest. Solche Allegorieen waren im Geschmack der Zeit und blie-
ben es noch lange. Unser Dichter bringt sie sehr häufig in
Anwendung.
Sehen wir so in Hans Sachs einen Mann, welcher die neue
Lehre eifrig in seinen Kreisen verbreitete, wie dies Hutten in
leidenschaftlicher Weise im Gelehrten- und Ritterstande that, so
war er doch kein blinder Hülfsarbeiter des Lutherthums. Die
Streitigkeiten, die schon so bald unter den Confessionen aus-
brachen, veranlassten ihn zu scharfer Rüge. In verschiedenen
Gedichten: im Evangelium, in gemartert Theologia und
anderen weist er nachdrücklich auf das schlichte Bibelwort hin,
das aus selbstsüchtiger Rechthaberei von den ‘Parteien miss-
braucht werde, so dass die Lehre Christi in ihrer Wirkung ge-
hemmt sei. An die Person des Heilands hält er sich als an die
einzige Vermittlung zwischen den Menschen und Gott. In einem