Volltext: Albrecht Dürer

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Neuntes Kapitel. Im heiligen CEhestand. 
der ihnen, außer dem Albrecht und dem Andreas, von ihren 
achtzehn Kindern noch übrig war. 
Er schrie aus Leibeskräften und erschien in einem kläglichen 
Aufzug: das Gesicht war mit Blut überströmt, und von dem 
Wams hing ein großer Fetzen herunter wie ein Fähnlein. 
„Um Gottes willen, Hans, was ist dir widerfahren?“ 
rief Frau Agnes, zu der das Kind sich flüchtete. 
„Beim Spiel um den schönen Brunnen her stieß mich der 
Götz, daß ich fiel“, jammerte das Kind. 
Frau Agnes holte aus der Küche ein Gefäß mit frischem 
Wasser und ein Linnentuch, damit reinigte sie dem Hans unter 
tröstlichem Zuspruch das Gesicht, dann zog sie ihm das Wams 
aus und ging alsbald daran, den Schaden auszubessern. 
Mit stillglücklichem Blick schaute Dürer dem Gebahren seines 
Weibes zu, welches ihn einen neuen Blick thun ließ in die 
Tiefe ihrer Herzensgüte. Wie lieb mußte sie ihren Gemahl 
haben, wenn sie dessen kleinem Bruder, sowie auch den übrigen 
Anverwandten desselben solche treue Fürsorge widmete! Er 
sah ihr schweigend zu, wie ihre zarten Finger die Nadel führten 
bei der ungewohnten Arbeit, denn daheim hatte sie dergleichen 
Werk nicht nötig gehabt, daheim hatten Mägde sie bedient und 
ihr ein Leben in aller Gemächlichkeit ermöglicht. 
Nachdem sie die Arbeit vollendet, trat Dürer auf sie zu 
und schloß sie in seine Arme. „Wie bist du lieb und gut, 
meine Agnes! Manchmal kommt es über mich wie Scham, 
wenn ich gedenke, wie wenig ich deiner wert bin.“ 
Agnes hielt ihm die Hand auf den Mund: „O schweig, 
daß du nicht weiter lügest, du loser Mann! Mir aber glaube, 
wenn ich dir sage, daß das Erröten im Gefühl der Unwürdigkeit 
mich oftmals überfällt. Laß mich aber gehen, daß ich das 
Nachtmahl rüste.“
	        
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