Kastor und Pollux.
lang herabfielen. Auf der gewölbten Brust glitzerte an goldener
Halskette ein Geschmeide von echten Perlen, und an beiden
Armen blitzten oberhalb der Hände breite, schwere Goldspangen,
geschmückt mit feurigen Rubinen. Über dem Arm trug sie ein
schwarzsamtenes, mit Marderpelz leicht verbrämtes Mäntelein,
das sollte ihr zum Schutz dienen bei der Lustfahrt, welche man
vorhatte.
„Wo mag der Wilibald nur sein, der lose Bube?“ fragte
Frau Barbara die Töchter. „Vergebens suchet Jutta ihn im
ganzen Hause.“
„Ist er nicht daheim,“ versetzte Charitas, „wo anders
sollen wir ihn suchen als im Haus des Meisters Dürer? Auch
nahm ich seiner vor einer Stunde wahr, da er mit dem Albrecht
um den schönen Brunnen kreiste.“
„So eile Jutta hinüber und bringe den Entlaufenen her—
bei!“ befahl Frau Barbara und gab der Charitas einen Wink,
der Dienerin Weisung zu geben.
Es verging eine halbe Stunde, die Rosse wurden immer
ungeduldiger und machten dem Wagenlenker Not, auch der Frau
Barbara zog sich im Unmut vergeblichen Wartens die weiße
Stirn in Falten. Sie hatte eine Ausfahrt aus dem Thor der
Stadt in die herrliche Frühlingswelt vor und wollte die Maien—
luft gemeinsam mit ihren Kindern genießen.
Endlich erschien Jutta, die alte Magd, vor der Frau des
Hauses, den neuntehalbjährigen Wilibald an der Hand, einen
schönen, blondlockigen Knaben mit einem Paar klugen, leuch—
tenden Augen im Kopf.
Zornig trat die Mutter auf ihn zu und sprach: „Wie
lange ermüdest du meine Geduld, Wilibald? Wußtest du nicht,
daß um die zweite Nachmittagsstunde der Veit das Wägelein
vorführen werde?“