Volltext: 1834-1884 (2. Band)

Simplex sigillum veri. 
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an ihm. Wir wissen, daß er seine Lieblingspferde malträtiert hat, 
Daumer aber erklärte ihn für einen „vollkommenen Engel.“ 
Begründung? 1) „Als er auf meiner (Feuerbachs) Halskrause einige 
Körner Schnupftabak sah, machte er mich darauf mit Unwillen auf— 
merksam, mir hastig andeutend, daß ich diese garstigen Dinge weg— 
wischen möge.“ 2) „Als Hr. Bürgermeister Binder in Hausers 
Gegenwart dem Bedienten befahl, ihn vor einem lästigen Ankömm— 
ling zu verläugnen, sagte H. verwundert: Aber Hr. Bürgermeister, 
das ist ja nicht wahr! Sie sind ja zu Haus!“ 3) „Er brachte nie 
etwas Lebendes um, selbst nicht das quälendste Ungeziefer, z. B. die 
Flöhe, die ihn auf dem Thurme plagten (der reinliche Kaspar 
warf sie nämlich einfach zum Fenster hinaus auf die Straße!), und 
wehrte Anderen, wenn es diese thun wollten.“ Ein homerisches Ge— 
lächter erscholl aus dem Publikum nicht, denn Nietzsches Wahr— 
nehmung (IJenseits von Gut und Böse, 1886, S. 99, Nr. 156) ist 
richtig: „Der Irrsinn ist bei Einzelnen etwas Seltenes — aber bei 
Gruppen, Parteien, Völkern, Zeiten die Regel.“ 
Auf solchen morschen Fundamenten ruhen die „Glaubensthaten“ 
der Hauserianer. 
Wie man sich immer sans gône den Umständen anzupassen ver— 
stand, lehrt u. a. das Kapitel: Hauser als Reiter (Daumer 1873 
S. 218-222). Um unsere Bewunderung nicht erkalten zu machen, 
muß ich mir hier die Wiederholung einer schon benutzten Notiz er— 
lauben. Schauen wir zu, mit welchem Kunstreitertalent die Kaspar— 
macher sein Roß getummelt haben. 
Im August 1828. Professor Daumer und Professor Wurm 
waren, da Kaspar Hauser anfing reiten zu lernen, bei allen Lehr— 
stunden zugegen, beobachteten alles aufs genauste und brachten 
alles merkwürdig Scheinende sofort bei frischester Erinne— 
rung aufs Papier. „Ein Irrthum der Wahrnehmung oder des 
Gedächtnisses“, sagt Daumer, „war gar nicht möglich; ich bildete 
mir Nichts ein und setzte Nichts hinzu; das kann ich beschwören.“ 
In diesen gleichzeitigen Notizen also heißt es: 
„Seine Haltung, sein Muth, die richtige Führung des Pferdes 
sogleich bei den ersten Versuchen setzten in Erstaunen.
	        
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