282 Auf dem Appellationsgericht.
ich bisher über Kaspar Hauser gelesen habe, führt zu keinem Auf—
schluß, und es ist außer Zweifel, daß der junge Mensch weit mehr
von seiner Geschichte wissen muß als diejenigen, welche darüber Bücher
geschrieben haben. Es liegt mir als alter(m) Familienfreund sehr daran,
daß die Großmut des edlen Lords nicht mißbraucht werde, und ich
erachte es daher am zweckmäßigsten, es dahin einzuleiten, daß der
junge Hauser der kostspieligen Privaterziehung entzogen und einer
öffentlichen Unterrichtsanstalt übergeben werde. Ich ersuche Sie aus
Interesse für die schätzbaren Mitglieder der Familie des Grafen
Stanhope — dem edlen Lord in dem nämlichen Sinne zu schreiben,
insofern Sie mit meiner Ansicht einverstanden sind.“ Klüber ant—
wortete am 22. Dezember, daß „nur noch von Erfüllung der
übernommenen Vertragspflicht die Rede sein könnte . . . Alle
Wünsche seiner (Kaspars) zahlreichen Freunde und Gönner beschränken
sich darauf, daß derselbe in den Stand gesetzt werden möge, als
nützliches und achtbares Mitglied der menschlichen Gesellschaft seinen
nötigen Unterhalt selbst zu verdienen. Dazu hat sich nun schon eine
nicht entfernte Aussicht gezeigt. Man hat Talent und Neigung für
Mechanik bei ihm bemerkt und hält für gut, daß er bei einem Uhr—
macher in die Lehre gegeben werde. Ich habe zu erwägen gegeben,
ob nicht vorteilhafter sein möge, ihn nach München in das berühmte
nechanische Institut des Herrn Ertel als Lehrling zu bringen.“
Auf Feuerbachs Anordnung hatte man den Titularmagnaten und
Titularlord Kaspar seit dem 1. Dezember 1832 auf dem Appellations—
gericht mit Schreiberei beschäftigt,) in welcher Stellung wir in das
für ihn so kritische Jahr 1833 eintreten. Er äußerte häufig: „Wenn
ich nur konfirmiert wäre, dann könnte ich doch verpflichtet werden,
und dann bekäme ich für mein Schreiben etwas.“ Der vom Pfarrer
Hering in Nürnberg angefangene lutherische Religionsunterricht wurde
1) Mit dem Wachsen seiner Eitelkeit und Putzsucht sinkt auch die Lust zu
ernster Beschäftigung sowie zur Erlernung eines nützlichen, ihn einstens nährenden
und Unabhängigkeit bürgenden Geschäftes. Seine frühere Wahl — die Uhr—
macherkunst zu lernen, ist durch die vorgebliche Augenschwäche und Entzündung
bei der kleinsten Anstrengung vereitelt. Für ein anderes Gewerbe äußert er auch
keine Neigung, denn er schämt sich, ein bürgerliches Geschäft zu treiben. — Hickel.