1090
Frühmessen und so wollte sie auch am 2. November
gedachten Jahres die Messe aller Seelen besuchen.
Sie legte sich mit Sorgen zu Bette, und als sie
erwachte, glaubte sie, es sey schon Zeit zur Fruͤh—
messe, stand auf, kleidete sich an und ging in die
Kirche, welche sie offen und mit Menschen ange—
füllt fand. Obgleich Kerzen und Lampen brannten,
—
Dunkel. Sie nahm ihren Kirchenstuhl ein, da kam
es ihr mit einemmal vor, als ob die Priester, wel⸗
che die heilige Messe verrichteten, so wie die Men⸗
schen, welche die Kirche füllten, Personen waäͤren,
die schon vor mehreren Jahren gestorben waren.
Endlich nahte sich ihr eine Gevatterin und Gespie—
lin, von der sie ganz gewiß wußte, daß sie erst kürz⸗
lich gestorben war und diese redete sie mit den Wor⸗
ten an: „Liebe Gevatterin! wenn man zu unserm
Herr Gott läutet, und die Wandlung geschiehet, so
eilt aus der Kirche, sonst seyd ihr des Todes!“
Diesen Rath befolgend, eilte die Im Hof sogleich
aus der Kirche, aber es kam ihr vor, als ob
alle Personen, die sie in der Kirche gesehen, sie
mit großem Geräusch verfolgten und zwar so lan⸗
ge, bis sie außerhalb des Kirchhofs war. In
der Bestürzung verlor sie ihren Mantel, und der
Schrecken hatte ihr beinahe alle Glieder gelähmt,