Soziale Fürsorge
Jahre 1919 verdoppelt und verdreifacht. Die Stadtgemeinde bringt deshalb große finanzielle
Opfer, wenn sie trotzdem immer wieder Notstandsarbeiten bereitstellt, um der großen Arbeits-
not zu steuern. Gegenwärtig werden vorerst die mehrfach erwähnten 30 Notstandsarbeiten
mit einem Kostenaufwand von 4801 940 M, die zum Teil bereits vollendet, zum Teil in der
Ausführung begriffen und zum Teil noch nicht in Angriff genommen sind, behufs Antrag zur
Zuschußgewährung nach den-⸗ Grundsätzen der produktiven Erwerbslosenfürsorge vorbereitet.
Die von der Stadtgemeinde Nürnberg bereitgestellten Notstandsarbeiten wurden teils
im Ei genbetrieb ausgeführt, zum Teil an Privatfirmen — insbesondere alle Hochbauten —
im Akkord vergeben. Ein Teil der Notstandsarbeiten, insbesondere reine Erdarbeiten,
wurden von der im Mai 1019 gegründeten „Ba u— und Erdarbeitergenossen—
schaft „Zukunft“ Nürnberg, Fürth und Umgebung“ ausgeführt, so die
Aushebung des kleinen Dutzendteiches. Außerdem wurde ein Teil der Arbeiten der Staͤdt—
gärtnerei (Einplanierungsarbeiten auf dem Zeppelinfeld) im Gruppenakkord an die auf der
Baustelle beschäftigten Arbeiter vergeben.
Die Erfahrungen mit den verschiedenen Vergebungsarten
waren zum Teil recht trübe. Allgemein war eine große Arbeitsunlust festzustellen, ins
besondere auf den Baustellen des Tiefbauamtes, auf denen eine größere Anzahl Erwerbsloser
im Eigenbetrieb beschäftigt wurde. Die Arbeitsleistung war so gering, daß nur der kleinere
Teil der täglich bezahlten 8 Arbeitsstunden als Leistung in Betracht kam. Diesen unhaltbaren
Zuständen vermochten weder die Betriebsleitung noch die Aufsichtsorgane aus dem Arbeiter⸗
und Beamtenstande zu steuern. Als Hauptgrund zu diesem Verhalten wurde die zu niedrige
Bezahlung ins Feld geführt. Vom Zweigverein des deutschen Bauarbeiterverbandes wurde
deshalb der Vorschlag gemacht, die Notstandsarbeiten an Unterne hmer zu vergeben,
und den Notstandsarbeitern den Tariflohn des Baugewerbes
zu zahlen. Diesem Vorschlag wurde seitens des Stadtrates Ende Februar 1919 ent—
sprochen und die Notstandsarbeiten, auch im Gang befindliche, an Unternehmer vergeben.
Die beschäftigten Erwerbslosen erhielten nunmehr die Tariflöhne bezahlt, doch die Arbeits-
leistung wurde nicht viel größer. Dieses Verhalten der Arbeiter führte zu unhaltbaren Zuständen,
da es den Unternehmern schlechterdings unmöglich war, mit einiger Wahrscheinlichkeit richtig
zu kalkulieren, um sich vor Schaden zu bewahren. Die Folge waren Preisangebote, die in
keinem Verhältnis zu der —
Bedeutend bessere Erfahrungen wurden mit der Akkordvergebung von
Erdbewegungsarbeiten an die im Mai 1919 gegründete Bau- und Erdar beiter—
genossenschaft „Zukunft“ gemacht. Dieselbe wurde anfangs mit den nötigen Bau—
geräten unterstützt und übernahm zunächst Erdarbeiten, dann Kanalisation und auch Hochbau—
arbeiten. Jede Mehrleistung kam den Arbeitern zugute, da die Genossenschaft das System
der Gewinnbeteiligung einführte. Auf diese Weise wurde erreicht, daß wieder e in Normal—
maß von Arbeitsleistung seitens der Arbeiter zu verzeichnen war. Ebenso günstig
waren die Erfahrungen mit dem Gruppenakkor d, der mit Arbeitergruppen anläßlich
der Arbeiten auf dem Seppelinfelde vereinbart wurde. Unter Zugrundelegung des Tarif—
lohnes bei normaler Arbeitsleistung hatten die Gruppen wöchentlich ein bestimmtes Arbeits—
pensum (Transport von Erdmassen mittelst Kippwagen) zu leisten. Jede Mehrleistung wurde
besonders vergütet, jede Minderleistung vom bereinbarten Normallohn pro Woche abgezogen.
Auch in diesem Falle war das Ergebnis befriedigend, die Arbeitslust wurde gestärkt und das
Normalmaß an Arbeitsleistung vielfach überschritten. Durch die Aussicht auf vermehrten Ver—
dienst infolge höherer Arbeitsleistung angespornt, sorgten die Arbeiter auch unter sich dafür,
daß jeder seinen Teil an Arbeit auch wirklich leistete. Die Stadtgemeinde sparte durch die ge—
nanniten Methoden Kosten, denn die Kosten für die ausgeführten Arbeiten stellten sich billiger,