Volltext: Albert Dürer

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derselben vorsetzte. So schön nun auch die Folge der zwölf Apostel Ra— 
phael's in Marc Anton's Stichen genannt werden muß, die Kraft und 
Mannhaftigkeit der Dürer'schen Charaktere hat weder Raphael's Zeich— 
nung, noch die wunderbare Technik des Kupferstichs der wälsche Stecher 
erreicht oder gar übertroffen. Wie Raphael in der Darstellung weib— 
licher Anmuth unerreicht bleiben wird, so Dürer in der urkräftigen 
Wiedergabe stahlharter Mannhaftigkeit. Auch daß Raphael, wie wir 
jetzt mit Bestimmtheit wissen, selber zu stechen versuchte, ist sicher nicht 
minder dem begeisternden Einflusse der Arbeiten Dürer's zuzuschreiben. 
Aber mehr noch als dies und alles bisher Angeführte zeigt sich der Ein— 
fluß des Dürer'schen Geistes in dem größten und letzten Werke Raphael's: 
in den Cartons zu den bekannten römischen Tapeten, wenn schon dieser 
Umstand, so viel mir bekannt, von allen Kunstschriftstellern bisher über— 
sehen und unerwähnt geblieben ist. 
Wenn man von der nun längst unbestrittenen, schon von Vasari be— 
zeugten Thatsache ausgeht, daß Raphael's weiblich receptiver Geist der 
Reihe nach in seinen verschiedensten Entwickelungsphasen von bestimmten 
Vorbildern bestimmter Meister neue Anläufe zu immer größeren Fort— 
schritten genommen hat; wenn man den Einfluß Perugino's, Pintu— 
ricchio's, Masaccio's (Vertreibung Adam's und Eva's, Pauli Predigt), 
Leonardo's (Madonna d'Alba), Mantegna's (Grablegung Borghese), 
Michel Angelo's (Esaias), Fra Bartolomeo's (Madonna Canigiani), 
Giorgione's (Fornarina) und van Eyck's (Leo X. Bildniß) u. A. ge— 
radezu nachweisen kann, so bliebe es räthselhaft, aus welcher Quelle der 
offenbar zu höchster Männlichkeit erstarkte Stil der Tapeten Raphael's 
herzuleiten sein dürfte, den weder Leonardo, noch Michel Angelo oder 
irgend ein anderer Italiener hervorgerufen haben kann. Betrachten wir 
aber den Stich Dürer's, der ebenso, wie die obenerwähnten Apostelbilder, 
im Jahre 1513 erschienen war, die Heilung des Lahmen an der Tempel— 
pforte, so wird uns klar werden, woher die gewaltige, letzte Stilveränder— 
ung Raphael's stammt. Es ist kein anderer, als der Geist unseres großen 
Meister Albert, des Alberto Duro der Wälschen, dessen urmächtiger Ein⸗ 
wirkung der schöne, empfängliche Geist des unsterblichen Urbinaten hier 
das holde Eingeständniß seiner Ueberlegenheit leistet. Die Bettler und 
der geheilte Lahme auf der wundervollen Tapete, sie sind eine neue In— 
spiration des Raphaelischen Geistes, es ist die großartige, verklärte Häß—
	        
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