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Ein heller Moment in Dürer's Leben ist es, wo die Sonnennähe
des beglückten Jünglings, die Bekanntschaft mit dem göttlichen Raphael,
wie ein heiterer Strahl in sein ernstes, von Anstrengung und Mühe er—
fülltes Dasein fällt. Daß unser Dürer von ihm verstanden, von ihm
nach seinem ganzen Werthe erkannt und hochverehrt worden, das wiegt
die ganze Welt von Entbehrungen auf, die ihm zugemessen war, das ist
mehr als Alles, was sonst seine Zeitgenossen ihm bieten konnten. Sicher—
lich hatten die Holzschnitte und Kupferstiche Dürer's, welche zahlreich über
die Alpen wanderten, schon die Aufmerksamkeit Raphael's auf Dürer's
Kunstthätigkeit gelenkt, als dieser ihm zum Beweise hoher Verehrung ge—
legentlich sein eigenes Bildniß, in Wasserfarben, mit aller der, nur
Dürer's Handgeschicklichkeit möglichen, fast unbegreiflichen Feinheit auf
einen klaren, durchsichtigen Stoff gemalt, zum Geschenk übersandte.
Raphael nahm die Gabe mit höchster Werthschätzung auf, wie sie es ver—
diente, und vermachte sie in seinem Testamente seinem Lieblingsschüler
Giulio Romano, aus dessen Nachlaß sie leider spurlos verschwand. Als
Gegengabe aber sandte ihm Raphael mehrere Zeichnungen, deren eine
wenigstens ein glücklicher Zufall uns bis auf den heutigen Tag in der
berühmten Albertina zu Wien erhalten. Es sind zwei nackte Männer—
studien, sogenannte Acte, zu den Hauptfiguren der Landung der Sara⸗
zenen in Ostia, einer der großen Fresken in den vaticanischen Stanzen.
Mit einem ehrfürchtigen Gefühle lesen wir die Inschrift dieses Blattes
von Dürer's eigener Hand: „1515. Raphael von Urbin, der so hoch
beim Papst geachtt ist gewest, der hat diese nakete Bilde gemacht, und hat
sie dem Albrecht Dürer gen Nürnberg geschickt, ihm sein Hand zu weisen.“
Aber was noch mehr bedeuten will, als diese freundliche Berührung
zweier der größten Künstler ihrer Zeit, der maßgebende Einfluß Dürer's,
des deutschen Meisters, auf den großen Urbinaten ist zweifellos nach—
zuweisen. Jene beiden herrlichen Apostelgestalten, der wundervolle Pau—
lus, an dem „jeder Zoll ein Paulus,“ und der koͤstliche, wehrhafte
Thomas, die großartigsten von allen seinen Aposteln, welche Dürer im
Jahre 1513 gestochen, sie ohne Zweifel sind es gewesen, welche Raphael
bewogen haben, seine Reihefolge der zwölf Apostel zu zeichnen und von
Marc Antonio stechen zu lassen, überhaupt aber ein vollständiges Atelier
für Kupferstich einzurichten, welchem er seinen vertrauten Diener Baviera
als Drucker und zugleich als Vermittler für den kaufmännischen Vertrieb