Ueber dem Fenster der Speisekammer, wo in—
zwischen die Hausmutter die dünnen Scheibchen
Bauernbrot schneiden und mit Butter bestrichen mehr—
fach aufeinander legen mag, um sie dann in zier—
liche Stängchen geschnitten aufzutragen, — über
diesem Fenster gewahren wir noch ein Fensterpaar
von gleich beschränkter Ausdehnung wie die anderen.
Sie gehörten zu einem Zimmer, das verschiedene
Verwendung hatte, zuletzt neben dem eben erwähnten
„Bruderloch“ als Gastzimmer. Ich erinnere mich
z. B. noch recht gut, darin meine zartgliederige und
feinsinnige, aber lebhafte Großmutter väterlicherseits
für kurze Augenblicke begrüßt zu haben; denn damals
war sie schwer leidend. Ganz verwischt ist mir die
Erinnerung, wo dieser Raum Studierzimmer meines
Vaters war, weil in dem späteren Studierzimmer,
aus dem uns vorhin der Pfarrherr entgegenkam,
der „Herr Vikar“ seine Wohnung aufgeschlagen hatte.
Als Gast weilte ich selbst in diesem Zimmer mit
meinem älteren Bruder in den einzigen, wirklichen
Ferien, zu welchen Du, lieber Leser, uns ja begleitet
hast. Als Gast endlich weilte auch meine Mutter
nach meiner Erinnerung noch zweimal dort. Das
erste Mal schließe ich es nur aus dem Umstand,
daß ich nach der für mein Kindergemüt viel zu
eingehenden Taufrede, die im Wohnzimmer ver—
nommen wurde, mich ins Gastzimmer schlich, um das
neue Schwesterlein zu betrachten. Ich versicherte ihr
zwar stets, sie habe bei jener ersten Begeg—
nung, die mir erinnerlich ist, durch ziemlichen
Mangel an Bekleidungsslücken geglänzt, aber sie legte
samt ihrer Mutter die entschiedenste Verwahrung
dagegen ein. Ich habe mich also offenbar getäuscht.
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