Den zweiten Aufenthalt meiner Mutter dort—
selbst aber schließe ich aus einem anderen Umstand.
Mein Geburtsort hatte zwar sieben Wirtshäuser
und mehrere Spezereihandlungen, auch Doktor und
Apotheker, aber eine Buchdruckerei war eben doch
nicht dort, und der Buchbinder W. in dem benach—
barten Herrschaftssitz R.vermochte zwar den Rücken
eines Buches ganz gut zu bedrucken, weiter aber
reichte und konnte seine Vervielfältigungskunst nicht
reichen. Wollte man also Mitteilungen in mehr—
facher Ausfertigung besorgen, so galt es schon selbst
die Feder schneiden und dann unter dem glitschenden
Knarzen derselben urbi et orbi Freude und Leid
höchsteigenhändig zu verkünden. Noch sehe ich meinen
allezeit vorsorglichen Vater am wachstuchüberzogenen
Tisch der Schlafstube eine erkleckliche Anzahl blaß—
blauer Briefbogen beschreiben und falten — meine
Mutter war auffallender Weise nicht Zeugin dieses
Vorganges — ohne sie jedoch abzusenden. Das
kam mir wunderbar vor in meinem 7jährigen Kinder—
gemüt. Aber ich staunte über seine Fürsorge, als
plötzlich aus dem Gastzimmer die Kunde erscholl, daß
ein ganz kleines Brüderlein angekommen sei, und
er nun die gefalteten Briefe öffnete und nach Aus—
füllung einer kleinen Lücke der schon harrenden Bötin
zur Beförderung auf die Post und san die lieben
Bekannten in der Nachbarschaft einhändigte. Das
war also jenes Gastzimmer. Mit ihm war aber
auch die Front des Hauses abgeschlossen.
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