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mehr backt, als er täglich verbraucht, also ist in der Müllerei keine Über—
produktion. Das ganze Jahr hat 365 Tage, hat 12 Monate, hat
50 Wochen und die ganze Erde ist ein großes Areal, das wir immer
noch lange nicht übersehen können, und in diesen 365 Tagen gibt es eben
Zeiten und auf der Erde gibt es eben Orte, in denen mehr Getreide
vermahlen wird, als für den Bedarf der täglichen Sättigung erforderlich
ist, und diese Mehrproduktion, die also periodisch eintritt, ist eine Über—
produktion.
Als solche wird sie nicht bloß im deutschen Reiche fühlbar, als solche
ist sie auch anderswo fühlbar. Auch in unserem Nachbarstaate Oesterreich—
Ungarn wird ganz schrecklich über diese Überproduktion, über diese Über—
schwemmung mit Mehl geklagt und Abhilfe verlangt. Der Zustand der
Mühlenindustrie wird dort ein „erschrecklicher“ genannt. Er ist es bei
uns ebenfalls. Wir wollen ein kleines Rechenexempel aufstellen. Wenn
wir rechnen, daß wir eine Bevölkerung von einigen 60 Millionen Menschen
haben, durch die pro Mann ein Pfund Getreide täglich zur Nahrung ver—
braucht wird, so sind dies täglich 30 000 Tonnen Getreide, die vermahlen
werden müssen. Wenn wir weiter rechnen, daß wir im deutschen Reich
30 000 Mühlen haben, welche für diese tägliche Vermahlung tätig sind,
so kommt auf jede Mühle täglich eine Tonne. Nun wissen Sie aber alle,
m. H. daß wir Mühlen haben, die 10, 20, 100, 500 Tonnen täglich
fertigen und die für das, was sie machen, Absatz finden müssen, die diesen
Absatz suchen müssen und ihn nur finden, wenn die vielen kleinen Mühlen
ihn nicht mehr haben, wenn sie in ihrem Absatz beschränkt werden. Was
die einen erringen an Absatz, müssen die anderen einbüßen.
Das, m. H., ist die Lage unserer Müllerei und diesen Zustand wollen
wir umgestalten. Was die einen Mühlen errungen haben, das sollen sie
wieder abgeben, damit die anderen mehr bekommen GEs soll hier ein
wirtschaftlicher Ausgleich stattfinden und für diesen wirtschaftlichen Aus—
gleich handelt es sich darum, diejenigen Maßnahmen zu verlangen, die
eben diesen Ausgleich herbeiführen. Wir meinen, daß dies eine Besteue—
rung sein kann, welche die großen Mühlen in ihren Betriebsspesen be—
lastet und dadurch den Mehlpreis heben kann, sodaß die kleinen Mühlen
unter dem gehobenen Mehlpreis dann wieder eine gesicherte Existenz
haben.
Es läßt sich dabei die Frage aufwerfen: sind denn die kleinen Mühlen
volkswirtschaftlich eine Notwendigkeit? ist es nicht richtiger, wenn wir bloß
große Mühlen haben mit einer hohen Leistungsfähigkeit, die alles besser
machen können? usw. Nun, darauf hat jaschon der Herr Vorredner
hingewiesen, daß das eine sehr ernste Sache ist; denn wenn wir schließlich
alle kleinen Muͤhlen eingehen lassen, „absterben“ lassen wollen, dann be—
halten wir nur große Mühlen und diese wenigen großen Mühlen können
zu Zeiten der Kriegsgefahr sehr leicht in die Lage kommen, nicht zu
exissseren, und dann fehlen die kleinen Mühlen und dann leidet die Er—
nährung des Volkes. Die kleinen Mühlen sind aber auch in Friedens—
zeilen noch notwendig; denn sie sind diejenigen, welche mit der Landwirt—
schaft in unmittelbarem Verkehr stehen, in nächster Nähe das Getreide zu
vermahlen haben, das die deutsche Landwirtschaft produziert; und wenn