Volltext: Stenographischer Bericht der 34ten Generalversammlung Deutscher Müller und Mühlen-Interessenten zu Nürnberg vom 17. bis 20. Juni 1906 (34. (1906))

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mehr backt, als er täglich verbraucht, also ist in der Müllerei keine Über— 
produktion. Das ganze Jahr hat 365 Tage, hat 12 Monate, hat 
50 Wochen und die ganze Erde ist ein großes Areal, das wir immer 
noch lange nicht übersehen können, und in diesen 365 Tagen gibt es eben 
Zeiten und auf der Erde gibt es eben Orte, in denen mehr Getreide 
vermahlen wird, als für den Bedarf der täglichen Sättigung erforderlich 
ist, und diese Mehrproduktion, die also periodisch eintritt, ist eine Über— 
produktion. 
Als solche wird sie nicht bloß im deutschen Reiche fühlbar, als solche 
ist sie auch anderswo fühlbar. Auch in unserem Nachbarstaate Oesterreich— 
Ungarn wird ganz schrecklich über diese Überproduktion, über diese Über— 
schwemmung mit Mehl geklagt und Abhilfe verlangt. Der Zustand der 
Mühlenindustrie wird dort ein „erschrecklicher“ genannt. Er ist es bei 
uns ebenfalls. Wir wollen ein kleines Rechenexempel aufstellen. Wenn 
wir rechnen, daß wir eine Bevölkerung von einigen 60 Millionen Menschen 
haben, durch die pro Mann ein Pfund Getreide täglich zur Nahrung ver— 
braucht wird, so sind dies täglich 30 000 Tonnen Getreide, die vermahlen 
werden müssen. Wenn wir weiter rechnen, daß wir im deutschen Reich 
30 000 Mühlen haben, welche für diese tägliche Vermahlung tätig sind, 
so kommt auf jede Mühle täglich eine Tonne. Nun wissen Sie aber alle, 
m. H. daß wir Mühlen haben, die 10, 20, 100, 500 Tonnen täglich 
fertigen und die für das, was sie machen, Absatz finden müssen, die diesen 
Absatz suchen müssen und ihn nur finden, wenn die vielen kleinen Mühlen 
ihn nicht mehr haben, wenn sie in ihrem Absatz beschränkt werden. Was 
die einen erringen an Absatz, müssen die anderen einbüßen. 
Das, m. H., ist die Lage unserer Müllerei und diesen Zustand wollen 
wir umgestalten. Was die einen Mühlen errungen haben, das sollen sie 
wieder abgeben, damit die anderen mehr bekommen GEs soll hier ein 
wirtschaftlicher Ausgleich stattfinden und für diesen wirtschaftlichen Aus— 
gleich handelt es sich darum, diejenigen Maßnahmen zu verlangen, die 
eben diesen Ausgleich herbeiführen. Wir meinen, daß dies eine Besteue— 
rung sein kann, welche die großen Mühlen in ihren Betriebsspesen be— 
lastet und dadurch den Mehlpreis heben kann, sodaß die kleinen Mühlen 
unter dem gehobenen Mehlpreis dann wieder eine gesicherte Existenz 
haben. 
Es läßt sich dabei die Frage aufwerfen: sind denn die kleinen Mühlen 
volkswirtschaftlich eine Notwendigkeit? ist es nicht richtiger, wenn wir bloß 
große Mühlen haben mit einer hohen Leistungsfähigkeit, die alles besser 
machen können? usw. Nun, darauf hat jaschon der Herr Vorredner 
hingewiesen, daß das eine sehr ernste Sache ist; denn wenn wir schließlich 
alle kleinen Muͤhlen eingehen lassen, „absterben“ lassen wollen, dann be— 
halten wir nur große Mühlen und diese wenigen großen Mühlen können 
zu Zeiten der Kriegsgefahr sehr leicht in die Lage kommen, nicht zu 
exissseren, und dann fehlen die kleinen Mühlen und dann leidet die Er— 
nährung des Volkes. Die kleinen Mühlen sind aber auch in Friedens— 
zeilen noch notwendig; denn sie sind diejenigen, welche mit der Landwirt— 
schaft in unmittelbarem Verkehr stehen, in nächster Nähe das Getreide zu 
vermahlen haben, das die deutsche Landwirtschaft produziert; und wenn
	        
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