Full text: Zu Nürnberg

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halten an treue Pflichterfüllung flieht er wieder so unbeagchtet, 
wie er aufgestiegen ist!“ — — Er beugt sich vor und 
haucht einen weihevollen Kuß auf die zarte, weiße Hand, deren 
mächtige Brillantringe im Dunkeln glitzern und funkeln. — „Ich 
kann nur andachtsvoll das Knie beugen vor einer erhabenen 
Frauenseele! Ihrer mir unendlich wertvollen Freundschaft ver— 
danke ich seit Jahren die Wiedergeburt meines einst verloren— 
gegangenen Glaubens an das Weib, an die hehre Reinheit 
seines Herzens, an die Erhabenheit seiner Seele! Ihr Wunsch 
soll mir heilig sein!“ — Jedes Wort aus dem Munde dieser 
Frau thut ihm so wohl und doch so weh. — — „Nach meinem 
Leben forschten Sie? — Ja, mein Leben war ein reich bewegtes, 
wohlgeeignet schon in den Jugendiahren den Glauben an Alles 
zu erschüttern! — 
Ich war der älteste Sohn vermögender Eltern. Mein 
Vater hatte mich zum Studium der Medizin bestimmt. Ich selber 
fühlte weder Drang noch Abneigung für dieses Fach und ließ 
mich, sozusagen, von den Wellen des Geschickes tragen. Mochten 
Sie mich immerhin hinter den Secziertisch schwemmen, ob hier 
oder anderweitig, das Pensum des Studiums mußte bewältigt 
sein, und so machte ich mich mit eisernem Fleiße hinter die Sache, 
denn langes Verschleppen des Zuerledigenden war nie mein Fall. 
Alles mußte bei mir klipp und klar gehen. — Ich kam denn 
auch rasch vorwärts. 
Leider war meine körperliche Beschaffenheit keine solche, 
welche dem Menschen gestattet, unscheinbar und klein, hübsch 
unbeachtet zwischen dem Gros der Andern, den eigenen Lebenspfad 
zu wandeln. Um Haupteslänge überragte ich durchschnittlich 
meine gesamte Umgebung. Meine Kameraden behaupteten von 
jeher, mit einer gewissen naiven Selbstentäußerung: ich sei zum 
„Herrschen“ geboren. Und ohne mein Wollen noch Dazuthun 
wurde ich allüberall stets als „Erster“ vorgeschoben. Der Mensch 
gewöhnt sich schnell an Annehmlichkeiten, die ihm ungesucht zufallen 
und beansprucht schließlich das, was ihm der günstige Zufall
	        
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