Wohlfahrtspflege 107
Fällen Unterstützungen aus den zur Verfügung gestellten Sammelgeldern dann gewährt,
wenn andere Einrichtungen versagten.
Zur Konfirmation erhielten verschiedene Nürnberger Kinder Kleidung oder
einen bestimmten Geldbetrag. Zu diesem Zweck stellten auch die Privatwohltätigkeitsvereine
St. Sebald, Bruderbund, die Freimaurerloge Albrecht Dürer, die Frauenvereinigung der
Maimonides-Loge, die Nürnberger Schraubenfabrik und Fassondreherei und Kommerzienrat
Mayer-ODinkel dem Wohlfahrtsamt Mittel in Höhe von 1450 M zur Verfügung. Die
Unterbringung erholungsbedürftiger, stark unterernährter
Kinder auf Freiplätzen in der Schweiz ist in die Wege geleitet. Das
Wohlfahrtsamt hat sich zu diesem Zwecke mit der in Halle (Prof. Dr. Abderhalden) er—
richteten Zentralstelle in Berbindung gesetzt. Die Untersuchung der Kinder vom 7.—-13.
Lebensjahr in den Volksschulen auf ihren Gesundheitszustand ist durch die Schulärzte
bereits erfolgt. Vorgeschlagen sind rund 1100 Kinder. Die Auswahl der Kinder zur Besetzung
der Freiplätze wird von einem Ausschuß, dem der Arzt des Wohlfahrtsamtes und der Stadt—
schuloberarzt angehören, getroffen. Das Wohlfahrtsamt hat die Verteilung von Liebesgaben
aus Amerika, die in größeren Mengen eintreffen werden, an bedürftige Einwohner in die
Hand genommen. Es gelangte bereits eine Sendung, bestehend aus 40 WEGSpeck, 20 KeæqSchmalz
und 10 S Cervelatwurst an l0 bedürftige kinderreiche Familien zur Abgabe. 10 000o Büchsen
Kondensmilch und 4 Ztr. Lebertran werden demnächst verteilt. Über die Verteilung beschließt
ein hiefür eingesetzter Ausschuß aus Vertretern des Armenrats, der Frauen- und Wohltätig-
keitsvereine und der Gewerkschaften. Eine Abordnung der Ge sellschaft der
Freunde (Ouäker) aus England hat im März 1020 hiesige Wohlfahrtseinrichtungen und
einzelne Familien besucht, um sich von der herrschenden Not zu überzeugen. Auch diese Gesell—
schaft gedenkt durch Übersendung von Lebensmitteln und Bekleidungsgegenständen helfend
einzugreifen. Die Verteilung übernimmt ebenfalls das Wohlfahrtsamt. Wegen Organisation
einer Mittelstandshilfe sind Verhandlungen im Gange. Als Grundlage dient die be—
reits bestehende städtische Darlehenskasse, welcher die bisher vom Armenrat verwaltete Eh e—
man m'ische Darlehenskasse einverleibt werden soll. Die Veranstaltung einer Sa mm lung
von Säuglingswäscheist beschlossen. Zur Ausführung ist ein Arbeitsausschuß, bestehend
aus Bertretern hiesiger Frauenvereine, ernannt. Zwecks Errichtung einer Fugendherberge
für durchreisende Wandervögel ist man z. Zt. auf der Suche nach geeigneten Räumen. Größere
Arbeit verursachten die Vorbereitungen zu Unterbringung deut sch-österreich i—
scher Kinder in Nürnberg, welche leider wegen der allgemeinen schlechten Ernäh—
rungslage unterbleiben mußte.
2. Armenpflege.
Organisation. Die nach Beendigung der Stadtratswahl erforderlich gewordene Neuwahl
des Armenrats hat zu einer Neuregelung des hiesigen Armenwesens Anlaß
gegeben. Die Neuordnung, für welche bereits im bayerischen Armengesetz vom 21. August 1914
die Grundzüge festgelegt wurden, mußte während der Kriegszeit aus mancherlei Gründen, be—
sonders aber wegen des Mangels an ehrenamtlichen Kräften (Armenpflegern), unterbleiben;
ihre Durchführung konnte nun aber nicht mehr länger hinausgeschoben werden. *
Durch die Neuordnung wurde der Grundsatz aufgestellt, daß die pflegerische Behandlung
der Unterstützungsfälle nicht mehr durch die Mitglieder des Armenrats sondern durch die Armen—
pfleger zu erfolgen hat. Daher war es möglich, die Zahl der Mitglieder, welche bisher 81 betrug,
beträchtlich zu vermindern. Der Armenrat umfaßt nur noch 42 Mitglieder, nämlich 13 gesetzlich
bestimmte und 29 gewählte; unter den letzteren befinden sich 4 Vertreter der privaten Wohl—
tätigkeitseinrichtungen. Die Aufgabe des Armenrats und die Stellung der Armenrats-Mit-