Metadata: Kaspar Hauser

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notdürftig hätte lesen und schreiben lernen können, ist vollends 
eine Ungeheuerlichkeit. Er, der weder Mensch noch Tier 
kannte, dem die notwendigsten Begriffe fehlten, wird in der 
Freiheit sich entweder vor der Außenwelt fürchten oder ihr 
völlig stupide gegenüber stehen. Von irgend welchem, auch 
nur einigermaßen sicheren Benehmen gegenüber Personen, 
von Verständnis für Verfahren mit Tieren darf nicht die 
Rede sein. 
Wie stimmt nun Hausers Aussehen und Auftreten mit 
solchen Folgerungen? Die Berichte hierüber sind freilich 
zum Teil erst in später Zeit, 1834, eidlich aufgenommen, 
also wohl nicht ganz frei von Irrtümern, aber auch schwerlich 
ohne weiteres zu verwerfen. Er sah nach verschiedenen Aus— 
sagen blaß aus, hielt sich ungeschickt, ging unsicher und 
taumelnd, auch waren seine Fußsohlen zart und angelaufen. 
Dazu sprach eine Beobachtung des Dr. Osterhausen betreffs 
der Schenkel- und Kniebildung dafür, daß er viele oder die 
meiste Zeit in sitzender Lage mit ausgestreckten Beinen zu⸗ 
gebracht haben konnte. Doch war keineswegs sein Gang ein 
so hilfloser, wie er es nach der bekannten Behandlung hätte 
sein müssen. Nach Aussage des Schuhmachers Weichmann, 
der ihn in Nürnberg zuerst sah, und den freilich Herr 
v. Artin als Mitschuldigen des Verbrechens an Kaspar ver— 
dächtigt, kam er den ziemlich steilen Bärenweg herunter, nach 
Aussage des dabei anwesenden Schuhmachers Beck (war auch 
dieser mitschuldig?) sogar „mit ziemlich starken Schritten“. 
Er schien ermüdet zu sein, doch war ihm offenbar das Gehen 
nichts ungewohntes. Der Polizeisoldat Blümer fand ihn 
nach einem Spaziergange von einer Viertelstunde ganz müde, 
er ging mit kleinen Schritten und wackelte, wurde aber nicht 
am Arm geführt, und legte noch am ersten Tage immerhin 
verhältnismäßig weite Wege zurück. Nach den unverdächtigen 
Aussagen Hiltels streckte er, wenn er am Boden saß, die
	        
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