Ersten Theils Sieben zehendes Capitel. 81
Das Siebenzehende Capitel.
Von der Waͤrtner Wacht.
Wey einsylbige Woͤrtlein sind es / welche den groͤssesten Streit /
zu allen Zeiten und an allen Orten und Enden / in der Welt an⸗
gefangen und verursachet haben / nemlich Mein und Dein / aus
diesen sind die unausloͤschlichste Feindschafften / die heffligste
Streite / Gezaͤncke und Widerwaͤrtigkeiten / die langwierigste
Rechte / und Grund⸗verderblichste Kriege entstanden. Die⸗
ses Mein und Dein zusammen in eines zů bringen / sind die li⸗
stigste Raͤncke erdacht / die subtileste Staats⸗Maximen ersonnen / und die e
Unternehmungen / wiewol mit ungleichem Ausschlag des Gluͤckes / ausgefuͤhret
worden. Zu dem Recht und Unrecht / hat die Begierde zu Mein und Dein / den
ersten Anlaß gegeben / da jenes dem / der den mehresten umd gastighen Beweiß
hatte / zue dem Gegentheil aber abgesprochen worden. Das Dein ist in der mei⸗
sten Menschen Augen allezeit groger als das Mein / demnach ein stetes Mißver⸗
gnuͤgen mit dem Seinigen / und eine unziemliche Begierde nach dem / was des an⸗
dern ist. Diese Begierde waͤchset von Zeit zu Zeit / und giebet sich so leichtlich nicht
zu Ruh / biß es endlich erlanget / was sie verlanget; der Mensch gehet offt und viel
zu Rath / wie er dazu gelange? bricht den Schlaf / quaͤlet sich mit Sorgen und Ge⸗
dancken / scheuet weder Gutes noch Boͤses / betrachtet nicht den so ————
ungewissen Ausgang der Sache / zu seinem eigenen Schaden und Unheil / mit allzu⸗
spater Reue / ohne sich in seinem Ier zu vergnuͤgen; oder / wo er ja nach so
vieler saurer Muͤhe seiner unzulaͤssigen Begierden satt wird / werden doch solche
ihmẽ genugsam versaltzen / durch die Seuffzer und Thraͤnen der darunterLeidenden /
von der Qval ihres hiedurch erregten e und ist keine Vergnuͤgung da /
weil die Goͤttliche Gerechtigkeit solches mit Rache bald wieder entzichet / oder doch
auf das schaͤrffeste bestraffet. Unsere erste Stamm⸗Eltern koͤnnen uns hievon das
beste Zeugnus geben; es war ein Grosses / daß ihnen die gantze Welt / insonderheit
aber das Paradiß / samt deme / was darauf und darinnen war / von dem All⸗Schoͤpf⸗
fer zu eigen gegeben war / den Baum des Erkaͤuntnisses Gutes und Boͤses allein
ausgenommen; ob nun dieses ein Grosses war / so duͤnckte sie doch dieser einige
Baum weit herrlicher und von mehrerer Wichtigkeit zu seyn / als das andere al⸗
les / weil sie durch die Frucht desselben eine wahre Weißheit zu erlangen sich vesti⸗
glich einbildeten / die / wie sie gaͤntzlich glaubten / ihnen noch ermangelte; die Be⸗
gierde nach selbiger e gleich in ihnen / sie giengen zu Rath / ob und wie sie
dazu gelangen koͤnnten / und raubten dann davon / dem Goͤttlichen Verbot schnur⸗
stracks zu wider / in Meinung ihren Endzweck nach Wunsch zu erlangen / fehleten
aber weit / und sahen sich mit Scham betrogen / dann sie ersuhren das Widrigẽ / und
erlangten vor die Klugheit die Thorheit / vor die Ruhe / Muͤhe und Arbeit / vor das
Leben den Tod: Diese Begierde nach fremden Dingen / tlebet auch uns noch starck
an / und wo man selbige nicht zu bezwingen weiß / sondern uͤberhand nehmen laͤset /
hricht sie in die von GOTT selbst unter harter Straf verbottene Suͤnde des Dieb⸗
stahls aus / da man sich bemuͤhet / das / wornach uns geluͤstet / heimlich an sich zu
ziehen / oder gar oͤffentlich zu rauben und sich zuzueignen / daher man dann 5
gen wird / das Seinige so viel man kan in Kuͤsten und Kaͤsten zu verschliessen / und
mit Riegeln und Schloͤssern zu verwahren / wo man Ahherst solches lehalten /p
denen