Volltext: Mein Kriegs-Tagebuch vom 29. Juli bis 1. September 1870

8 
Die8 Fonnte nur eine in volljtändigjter Anflöfung begriffene Abtheilung 
gethan Haben, denn eine im Vormarfh befindlidhe, mit dem Feinde in Sühlung 
jtehende, Leichäftigt fidh gewiß nicht mit dergleichen Sachen, mit der Crmor: 
dung von Hunden und Kakben und Hält beffer Mannszucht, als daß derartige 
Zeritörungen durch Diefelbe in Bereidh der Möglichkeit läge, zumal diefe SGehöite 
weit entfernt von irgend einer Stätte des Kampfes lagen. 
Ungefähr eine Stunde vor Buzancy machten wir Raft; kaum aber Hatten 
wir die Gewehre in Pyramiden gefebt, als ein preußifdher Offizier nad Rüd- 
wärtz {prengte und uns im Vorbeirveiten mittheilte, daß vorne Sefecht fei. 
Sofort traten wir wieder an. In Buzancy felbjt waren bereits alle möglichen 
Vorkehrungen zur Aufnahme von Vermundeten getroffen, an jeden Haus die 
Zahl der darin befindliden Betten bezeidhnet; dort trafen wir unter Anderm 
aud) die Nürnberger Sanitätskolonne, Nachdem wir auch Buzancy im Rüden 
Hatten, wollten fhon einige das Schießen Hören, was auf der Jüblidh von 
ZSommauthe gelegenen Höhe zur Gewißheit wurde, indem wir hier aud) das 
Feuer der GejdHüße fahen und bei unfjerem Näherkommen au Kleingewehr- 
und Mitrailleujen-Feuer unterfdheiden Fonuten. Sanitätsabtheilungen [prengten 
un8 vor, ebenfo ein Wagen mit weinenden barmherzigen Schweitern und ein 
gleicher mit Turnern. Wir felbft, äußerft erfhöpft an Kräften, famen unmerk- 
fig in ein befchleunigtes Tempo, das, je näher wir dem Kampfplas Famen, 
immer an Schnelligkeit zunahnı. Mübdigkeit, Hunger, Durft, mwunde Füße, 
Alles verfhwand, denn mir Hofften nod) in den Kampf eingreifen zu fönnen, 
mußten aber im Thale bei Sommauthe bereits Halt madhen, um dort wieder 
Bivouak aufzuldhlagen. 
Unter Tag wurden einige Herrenlos Herumlaufende Ochfen eingefangen, 
jo daß wir diefen AWbend noch eine gute, reihlidhe Menage genießen fonnten. 
Aud Stroh wurde HinreidHend zur Stelle gefchafit, daher wir im Vergleiche 
zur vergangenen Nacht unZ in ganz ausgezeichneten Uhnftänden befanden. Trokß 
des immermährenden Wagengerafiel8, das die ganze Nacht auf der hHöchftens 
200 Sehritt entfernten Straße fortdauerte, idlief ih — und ih glaube auch 
alle Aundern — nicdht8 weniger, als jOhlecht, ohne jemals aufzuwachen oder im 
Schlafgenuffe unterbrochen zu werden, hHoffend, daß uns der nächfte Tag end: 
(id einmal Pulver riedhen lajfen werde. 
31. Auguft, 
Wohlgeftärkt, fajt neugeboren, erwachte ih am früheften Morgen, als nod) 
die Meiften ‘gemüthlih {Hnardten oder mwenigjtens wadhend liegen blieben. 
Bios die Köche waren einftweilen in Thätigkeit und ein Soldat, fih ganz 
abfeit8 befindend, lag auf der Erde und {Orieb, feinen Tornijter als Unterlage 
benüßend, einen Brief, Er {tand auf, faltete ihn, nahm ihn jedoch nochmals 
auseinander und febte noch einige Zeilen bei. Freude und Schmerz wechfelten 
in feinen Zügen, al8 er ihn endgiltig zujammenlegte, die Adreffe {fOrieb und 
ion in feine Bruft fteckte. Leije, um feine {hlafenden Kameraden nicht zu 
meden, trug er feinen Tornifter an feinen Pla zurüg, Fam dann zu mir und 
erfundigte fih nad der Feldpoft. IH wies ihn in das Dorf und er trug 
jeinen Brief dahin, defjen Inhalt wohl das in Profa übertragene Soldatenlied 
jein mochte: 
Und wenn Du traurig bift und weinft, 
Mid von Gefahr umrungen meinft, 
Sei ruhig, bin in Gottes Hut, 
Fr liebt ein treu’ Soldatenblut.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.