Allgemeine wirtschaftliche und soziale Fürsorge
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von mehr als 9000 Personen besucht wurden. In der Hauptsache waren die Besucher dieser Ver—
sammlungen nicht die Landwirte selbst, sondern die Hausfrauen und das Stallpersonal. Die Außen—
beamten mußten, um über die Beschaffenheit der Milch genau unterrichtet zu sein, enge Fühlung mit
dem Laboratorium haben. Die Landwirtschaft befindet sich heute allgemein in Geldschwierigkeiten; sie
ist auf laufende Einnahmen angewiesen. Die beste und sicherste Einnahmequelle war im Berichtsjahr
wohl die Milchwirtschaft, und darauf ist es zurückzuführen, daß das Angebot an Milch besonders groß
war. Diejenigen Kreise der Landwirtschaft, die nicht allein Viehzucht treiben, sondern immer wieder
frisch melkende Kühe zukaufen und außerdem erhebliche Mittel für Kraftfutter ausgeben, haben An—
spruch auf einen erhöhten Milchpreis. Die Milchversorgungsgesellschaft hat deshalb besonders den
Betrieben in der Nähe von Nürnberg und Fürth höhere Preise zugestanden, in der bestimmten Er—
wartung, daß es nicht nur gelingen wird, die angelieferte Menge zu erhöhen, sondern vor allem die
Qualität zu verbessern. Ein gewisser Fortschritt ist auf diesem Gebiete erzielt worden. Manchmal
genügte schon die Aufklärung, um eine Verbesserung herbeizuführen, häufig mußten Abzüge bei der
Auszahlung des Milchgeldes wegen Lieferung schlechter Qualität vorgenommen werden.
Seit Jahrzehnten erfolgt die Ablieferung der Milch aus diesen Gebieten in der Weise, daß ein,
manchmal zwei oder sogar drei Sammler in einem Ort sich mit dem Milchaufkauf beschäftigen, die
Milch von Haus zu Haus in kleinen Mengen in Empfang nehmen, in große Kannen schütten und dann
diese gefüllten Kannen nach der Stadt bringen. Bei dieser Art des Milchvertriebs wird auf die
Qualität viel zu wenig Rücksicht genommen; es muß deshalb mit diesem veralteten und unbrauchbaren
System gebrochen werden. Landwirte in der Nähe von Nürnberg und Fürth können die in ihrem
Betrieb anfallende Milch nur dann dauernd und nutzbringend absetzen, wenn sie auf die Milch—
gewinnung und ehandlung ganz besondere Sorgfalt verwenden. Geeignete Einrichtungen für die
Ablieferung einer guten Milch sind örtliche Sammelstellen. Die örtliche Sammelstelle muß mit einem
Meßeimer und mit einem Milchkühler ausgestattet sein. Grundbedingung für die Aufstellung eines
Milchkühlers ist natürlich das Vorhandensein einer genügenden Menge Kühlwassers. In der Sammel—
stelle wird die Milch kuhwarm morgens und abends angeliefert, gemessen, gekühlt und bis zum Ver—
sand möglichst in fließendem Wasser aufbewahrt. Mit der Annahme und Behandlung der Milch ist
eine zuverlässige Person im Ort selbst zu beauftragen. Die Kosten für die Unterhaltung der Sammel—
stelle werden in der Regel nicht mehr als s bis 1 Pfennig betragen. Der Milchsammler kommt somit
als Milchkäufer in Wegfall und nur mehr als Fuhrmann in Frage. Auf diese Weise erhalten die
Städte eine bessere Milch und die Landwirte höhere Preise. Es ist bedauerlich, daß deshalb der eine
oder andere Milchsammler ausgeschaltet werden muß, aber es kann nicht immer und nicht überall allzu
große Rücksicht genommen werden. Leider muß festgestellt werden, daß die minderwertigere Milch aus
der allernächsten Umgebung der Städte Nürnberg und Fürth stammt, während die bessere Milch in
der Regel aus weiteren Entfernungen geliefert wird. Die Führer der Landwirtschaft sehen diesen Miß—
stand auch ein und sind bemüht, gemeinsam mit der Milchversoraunasgesellschaft die Verbältnisse
zu bessern.
Die Städte Nürnberg und Fürth haben rechtzeitig erkannt, daß für die Milchversorgung einer
Großstadt nicht eine einzelne Gruppe allein maßgebend sein kann, sondern daß es zweckmäßig ist, wenn
Erzeuger, Handel und Verbraucher bei der Milchversorgung einer Großstadt mitarbeiten. Dieses Ziel
ist erreicht und es darf wohl erwartet werden, daß es in den nächsten Jahren mit Unterstützung der
Führer der Landwirtschaft gelingen wird, die Mißstände, soweit sie z. Zt. am Gewinnungsort der
Milch noch bestehen, zu beseitigen. Dadurch, daß in den meisten Ortschaften mehrere Sammler vor—
handen waren, hatte der einzelne Sammler auf die Gewinnung und Behandlung der Milch gar keinen
Einfluß. Wenn er irgendwelche Beanstandungen machte, lief er Gefahr, den Lieferanten zu verlieren,
weil der andere Sammler schon auf neue Lieferanten wartete. Auch aus preistaktischen Gründen
sahen es die Landwirte gerne, wenn zwei oder mehrere Sammler in einem Ort vorhanden waren.
Heute wird der Milchpreis von den drei Gruppen im Vereinbarungsweg geregelt und es besteht somit
kein Grund mehr dafür, mehr als eine Sammelstelle in einer Ortschaft aufrechtzuerhalten. Die Un—
kosten werden durch das Vorbandensein mehrerer Sammler verarößert, die Beschaffenheit der Milch
verschlechtert.