272 B. Besonderer Teil. VI. Missetaten wider die Religion,
2. Hexerei und Zauberei.
„Des teuffels eh und reutterey
Ist nur gespenst und fantasey“
HH. Sachs
Ist Nürnbergs Rat und Konsulenten in ihrem Gebahren den
Sektierern gegenüber eine freiere, höhere Gesinnungsweise keines-
wegs abzusprechen, so mochte die Reichsstadt auch hierin als
leuchtend Vorbild gelten, dafs sie sich nicht vom Hexenwahn,
welcher zu des Christentums höhern Ehre zahllose Autodafees auf-
lodern machte, mitfortreifsen liefs. Freilich, völlig von dieser
Zeitkrankheit, welche die edelsten Geister der Nation gefangen
hielt, ist auch sie nieht unbeeinflufst geblieben; doch malsen die
leitenden Männer der Republik in verständig nüchterner Denkungs-
weise den Zauberkünsten eine höchst untergeordnete Bedeutung
bei. Die sich später bekundende Strenge erklärt sich wohl da-
durch, dafs der Rat das Vorgehen des Reiches, wie der benach-
barten Fürstentümer nicht ganz zu milsachten vermochte, wie er
insbesondere durch das noch vom Aberglauben umnachtete Bauern-
volk der umliegenden Landschaft nicht selten zur Initiative und
Ahndung der Zauberei veranlafst wurde. Und endlich ist keines-
wegs die Tatsache vorzuenthalten, dafs viele den Wahn der
Menge nützend strafwürdige Betrügereien und lebensgefährliche
Schädigungen mit solchen Künsten verübten.')
Ein beachtenswertes Moment ist es, dafs der Nachrichter und
dessen Helfer im grausigen Handwerk nicht zum wenigsten am
Hexenglauben krankten, ihn im Volk und -- was bei ihrer ge-
wichtigen Rolle im damaligen Verfahren besonders verhängnisvoll
- bei den Richtern entfachten und schürten. Kamen sie in die
Stadt, so hatten sie zumeist anderwärts die löbliche Kunst, Un-
holden zu proben und zu richten, erlernt, ihr die raffiniertesten
Handgriffe abgelauscht, so dafs es ihnen leicht glüekte, auch der
Verstocktesten ein Geständnis zu erpressen; bei jeder Tortur und
Exekution glitt ein erklecklicher Ertrag in ihre Tasche, - sie
sind als die vornehmsten Vermittler der ansteckenden Seuche des
\) Ich berühre hier z. B. den Glauben an die Existenz des „Wechsel-
balgs“, den auch Luther teilte. Zu Bey, d. 17. Jhrh. milshandelt eine Frau
in N. ihr Kind zu tot, da man ihr weiß gemacht, es sei ein. Wechsetbale,
Rtsehlh. XLIX 442