210 B. Besonderer Teil, V. Verletzungen der Sittlichkeit.
e. Das „ainander eelich beschlafen“. Dies Beilager erfolgte
nach der eigentlichen Hochzeitsfeier in dem Hause, wo diese
stattfand. !)
Mails man seitens des Rates dem Vorliegen des elterlichen
Konsenses, wie der kirchlichen Segnung des Ehebundes das
Hauptgewicht bei, so sollte letztere insbesondre bei Patriziern als
Vorbedingnis zur legitimen Erbfolge der Nachkommen erforderlich
sein. Einem Geschlechtersohn wird z. B. ein an und für sich
unerlaubtes Ehebündnis (mit der Tochter seiner Schwägerin) ge-
stattet, indem es einmal mit Erfolg geschlossen und er der letzte
seines Stammes sei, jedoch ihm auferlegt, sich an fremdem Ort
durch einen fremden Priester einleiten zu lassen, damit ..die Kind-
lein geehlicht würden“.?)
Irrig wäre es indefs, anzunehmen, dafs sich einesteils das
Volk an solche Vorschriften band, wie andernteils der Rat ohne
langwierigen, hartnäckigen Kampf die herkömmliche, in seinen
Augen mifsbräuchliche Eheschlielsungsweise als unkräftig und un-
genügend zu ignorieren und bestrafen vermochte. Aus den Gut-
achten der Konsulenten erhellt vielmehr mit Evidenz, dafs bis
zum 17, Jahrhundert das Eheversprechen und der darauffolgende
Vollzug der copula carnalis die allein erforderlichen Voraussetzungen
zum matrimonium consummatum gebildet haben. Und dies wurde
auch vom Rat respektiert, zumal in krimineller Hinsicht: Wer auf
solche Weise die Ehe einging und in Mifsachtung derselben eine
zweite schlofs, gewärtigte die Strafe des Bigamus.?)
Wie gefährdet die Stellung des weiblichen Geschlechtes im
14. und 15, Jahrhundert war, wie leicht, einem Bürger sein un-
mündiges Kind „abzutäuschen‘“ und als Frau zu beanspruchen,
ergibt manch erbaulicher Verführungsfall. Nicht minder wirft der
Skandalöse Prozefs der Mutter W. Pirkheimer’s ein bedenkliches
Streiflicht auf die Moral und Bildung der besten Kreise dieser Zeit.)
‘3 PO. 59 ff, 71 ft; s. Scheurl, Zeitschr. f. Kirchenr. Bd. XXI, 308;
s. a. Nürnb. Haushaltungsbiicher in Mitteil. Gesch. Ver. Nürnb. 7, 55.
2) Rtschlb. XVI, 3881; bei Patriziern folgt sonst die Hochzeit nicht direkt
auf das Verlöbnis, z. B. 1434 gab P. T. seine tochter Brigite dem S. Grolant
und über zway jar darnach zuzulegen, Hegel a. a. 0., 4, 19: Nürnb. Haus-
haltungsbücher, Mitteil, 7, 60.
4) Rtschlb. XLVI, 406.
'ı Germania. Bd. XXXV, 45 ff. Hier handelt es sich indefs nacl den