Der abgehobelte Eck.
190
wieder las er die Schrift, ob sich in ihr der Verfasser nicht
irgendwo verriete.
Ha, da fand er einen Anhalt für eine Vermutung: die
Schrift mußte von einem Nürnberger herrühren, darauf wiesen
etliche nebensächliche Umstände.
Ein Nürnberger — wer konnte das sein? Wieder sann
Eck und ließ die Gelehrten jener Stadt im Geist an sich vor—
beimarschieren. „Spengler? — Nein, dem traue ich die
Grobheit nicht zu; schreibt auch ein ander Latein. — Pirk—⸗
heimer?“ — — —
Wieder studierte er die Schreibweise, und jetzt war es ihm
auf einmal klar — wie hatte er nur so lange suchen und raten
können! Aus diesen beißenden Worten schaute ihn Pirkheimers
schadenfrohes Gesicht an. Und nun blitzte es in den schwarzen
Augen unheimlich auf, und zischelnd kam es durch die knirschen—
den Zähne: „Nimm dich in acht, Wilibald, wir rechnen noch
mit einander ab!“ —
Auf dieselbe Fährte wie Eck kam man bald auch in den
Kreisen der Humanisten. Es ergingen an Pirkheimer von allen
Seiten Anfragen, der aber leugnete die Vaterschaft kurz ab!
Die Furcht vor der Rache des Menschen, dem alles zuzutrauen
war, benahm ihm den Mut, sich zu seinem Werke zu bekennen.
Doch war die Art seiner Ableugnung nur geeignet, den Ver—
dacht noch zu stärken.
Eck verhielt sich jedoch merkwürdig still, und so wich aus
Pirkheimers Herzen allmählich die Besorgnis. Auch trat die An—
gelegenheit mit der Zeit zurück, da ein anderes wichtiges Ereig—
nis sich in den Vordergrund des Interesses gedrängt hatte. Kaiser
Maximilian war im Beginn des Jahres 1519 gestorben, und
die Reichsfürsten handelten mit einander um die Wahl eines
neuen Kronenträgers.