Auch eine Reformationspredigt.
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Übersetzung, welche bei Anton Koburger erschienen war; aber
was war das für ein Deutsch! Wie Rabengekrächz klang ihm
dasselbe gegen den lieblichen Schlag der wittenbergischen Nach—
tigall, der sich in das Ohr und von dem Ohr ins Herz hinein—
schmeichelte! Und seine Bewunderung, seine Verehrung für das
auserwählte Rüstzeug Gottes stieg höher, immer höher.
Heute aber hatte sein Lesen in der Schrift noch einen ganz
besondern Zweck. Er wollte sich rüsten und bereiten auf den
ernsten Gang, den er mit seinem Weibe vorhatte. Dem Drängen
des Volkes weichend hatten die Pfarrer an St. Lorenz und
St. Sebald sich entschlossen, einen Schritt weiter vorwärts zu
gehen in der Neuerung und das heilige Mahl nach der Ein—
setzung Christi unter beiderlei Gestalt auszuteilen.
Nicht lange, so läuteten die Glocken, und der Meister er—
hob sich, um seine beste Pelzschaube anzuthun. Frau Agnes
saß bereits in ihrem Feierkleid und wartete, bis der Eheherr be—
reit sei.
Auf der Straße kamen sie bald ins Gedränge: in Massen
wälzte sich das Volk zum Gotteshaus.
Weihevoll begann die heilige Handlung. Aller Herzen waren
aufs tiefste ergriffen von den Worten des Geistlichen, und als
nun die Austeilung der heiligen Elemente vor sich ging, da
sah man über manches harten Mannes Wangen die Thränen
rinnen.
Daheim angekommen fiel Dürer seiner Agnes um den Hals
und sprach: „Meine Seele erhebet den Herrn, und mein Geist
freuet sich Gottes, meines Heilands. Jetzt erst weiß ich, daß
ich ihn in mir habe, der für mich in den Tod gegangen ist,
und mich seiner ganz getrösten kann. O Mann Gottes, Martin
Luther, Gott segne dich und behüte dich! Wie soll ich dir
danken, was du an mir gethan!“ — —