Objekt: Sammelhandschrift – Nürnberg, STN, Cent. VI, 55

Auch eine Reformationspredigt. 
223 
Übersetzung, welche bei Anton Koburger erschienen war; aber 
was war das für ein Deutsch! Wie Rabengekrächz klang ihm 
dasselbe gegen den lieblichen Schlag der wittenbergischen Nach— 
tigall, der sich in das Ohr und von dem Ohr ins Herz hinein— 
schmeichelte! Und seine Bewunderung, seine Verehrung für das 
auserwählte Rüstzeug Gottes stieg höher, immer höher. 
Heute aber hatte sein Lesen in der Schrift noch einen ganz 
besondern Zweck. Er wollte sich rüsten und bereiten auf den 
ernsten Gang, den er mit seinem Weibe vorhatte. Dem Drängen 
des Volkes weichend hatten die Pfarrer an St. Lorenz und 
St. Sebald sich entschlossen, einen Schritt weiter vorwärts zu 
gehen in der Neuerung und das heilige Mahl nach der Ein— 
setzung Christi unter beiderlei Gestalt auszuteilen. 
Nicht lange, so läuteten die Glocken, und der Meister er— 
hob sich, um seine beste Pelzschaube anzuthun. Frau Agnes 
saß bereits in ihrem Feierkleid und wartete, bis der Eheherr be— 
reit sei. 
Auf der Straße kamen sie bald ins Gedränge: in Massen 
wälzte sich das Volk zum Gotteshaus. 
Weihevoll begann die heilige Handlung. Aller Herzen waren 
aufs tiefste ergriffen von den Worten des Geistlichen, und als 
nun die Austeilung der heiligen Elemente vor sich ging, da 
sah man über manches harten Mannes Wangen die Thränen 
rinnen. 
Daheim angekommen fiel Dürer seiner Agnes um den Hals 
und sprach: „Meine Seele erhebet den Herrn, und mein Geist 
freuet sich Gottes, meines Heilands. Jetzt erst weiß ich, daß 
ich ihn in mir habe, der für mich in den Tod gegangen ist, 
und mich seiner ganz getrösten kann. O Mann Gottes, Martin 
Luther, Gott segne dich und behüte dich! Wie soll ich dir 
danken, was du an mir gethan!“ — —
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.