es soweit, daß man, wenn man wirklich noch einige Pfennige sein eigen nennt,
ürs Geld nicht einmal was zu kaufen bekommt. Diese Teuerung ist das traurigste
Kapitel dieser Kriegsgeschichte und wirst ein eigenartiges Licht auf den Patriotis-
nus gewisser Kreise, die die Lebensmittelknappheit zur Bereicherung ihres Geld—
»eutels und zur Aussaugung des Volkes benützen. Nicht nur die Kämpfer im
Felde haben unter dem Kriege zu leiden, auch die Frauen und unschuldigen Kinder
daheim müssen über alle Maßen darunter leiden, weil die Regierung es an recht⸗
zeitigen und energischen Maßnahmen sehlen ließ, diese Volksausbeuter unschädlich
zu machen. Die Lebensmittel sind nicht nur teurer, einzelne um 100-150 Prozent,
sondern auch meist schlechter, bedeutend weniger nahrhaft und jättigend; Fleisch,
besonders Schweinefleisch, und Wurst sind zu wahren Apothekerartikeln geworden.
Es ist wahrlich eine schwere Zeit, in der wir leben.
19416. Der Handelskrieg Englands gegen Deutschland wurde rücksichtslos
weitergeführt und Jjelbst kleine neutrale Staaten mit der Blockade bedroht, wenn
sie im Verdachte standen, an Deutschland Lebensmittel usw. zu liefern. Trotzdem
und trotz schlechter Ernte im abgelaufenen Jahre hat sich Deutschland behauptet,
wenn auch die Ernährungsmöglichkeit immer schwieriger wird und die Preise für
alle Lebeüsmittel und Bedarfsartikel ins fabelhafte gestiegen sind. Im Veichs⸗
tage, in den Landesparlamenten und in den gemeindlichen Vertretungen wurde die
überaus große Vot des Volkes des öftern besprochen und eindringlich Abhilfe
verlangt, aber selbst das neugegründete Kriegsernährungsamt, dem auch Arbeiter-
»ezw. Konsumenten-Vertreter angehören und das lediglich zu dem Zweck errichtet
wurde, die Ernährung der Sivilbevölkerung sicherzustellen, war nicht imstande, die
Hilferufe des Volkes verstummen zu lassen. Es hat vollständig versagt. Alles
uind Jedes wird rationiert und Höchstpreise sind vorgeschrieben; für neue und alte
Kleider, Wäsche und Schuhwaren sind Bezugsscheine eingeführt — allein die Not
des Volkes wird immer größer und von einer Hungersnot sind wir wahrlich nicht
mehr weit entfernt. Dafür verdienen die Kriegslieferanten, die Lebensmittel—
erzeuger und -Händler weiter riesenhafte Gewinne, und den reichen Leuten ist es
mmerhin noch leicht, sich durch allerlei Genüsse ein angenehmes Leben zu machen.
Die Ernährungsverhältnisse in Nürnberg erfuhren wie anderwärts auch eine be—
deutende Verschlechterung; sie haben sich weiter nicht unwesentlich zugespitzt. Die
Frauen laufen verzweifelnd den ganzen Tag, die ganze Woche die Straßen ab, um
jur das Votdürftigste zum Leben zusammenzuholen. oft sind die Bemühungen noch
umsonst.
1917. Die wirtschaftlichen Nöte und die Ernährungsschwierigkeiten, die in
krüheren Berichten bereits Erwähnung fanden, erreichten im Frühjahr 10917 ihren
Höhepunkt, als die Kartoffeln fehlten und die Brotration auch nicht annähernd
ausreichend bemessen war. In verschiedenen Städten brachen denn auch Hunger—
revolten aus, es solgten verschiedene Arbeitsniederlegungen zur Erzwingung
»esserer Ernährungsverhältnisse, so in Berlin, Spandau, Stettin, Striegau, Leipzig,
Weiden usw., die leider auch viele und ganz schwere Bestrafungen im Gefolge
hatten. (In Elbing brach unter den Arbeitern der Schichau-Werft ein Streik
us. Sie demonstrierten, sie führten Klage über die schlechte Ernährung und über
die unerhörte Teuerung der Kleider, namentlich der für sie unentbehrlichen Unter—
xleidung. Hinzu kam noch die unverschämte Behandlung, die ihnen in den Kauf⸗
häusern zuteil ward. Im Verlauf eines grohen Krawalls wurde ein Warenhaus
geplündert und demoliert. Nun folgten Prozesse. Am neunten Verhandlungstag
purden 130 Personen zu 146 Jahren Gefängnis verurteilt, 3 Personen erhielten
usammen 30 Jahre Zuchthaus, Kinder von 15 Jahren erhielten 6 und ꝰ Monate
Hefängnis.) Hand in Hand mit dem Mangel an Vahrungsmitteln ging eine fort—
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