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zu kommen, und ihme das fuͤr diesen Elenden ausgelegte wieder zu erstat⸗
inIWer diese Geschichte mit Aufmerksamkeit angehoͤret hat, der wird
quch sagen koͤnnen: Was eigentlich die Barmherzigkeit sey. Die Barm⸗
herpigtkeie in hemlich eine solche Fassung und Neigung des BZersens,
das Elend und die Noch seines Naͤchstens recht einsieher,
erforschet und erkennet, da man auch inner lich einen Crieb und ein
Herlangen fuͤhlet, ihme zu helfen und beyzustehen, und wenn man
Krafft und Vermoͤgen darzu hat, alle seine Kraͤfte und sein Vermoͤ⸗
gen darzu anwendetz damit dieser elende und miserable Mensch aus
seinem elenden und klaͤglichen Zustand moͤge heraus gerissen/ und in
mnen bessern zustand verseczet werden. Die Barmherzigkeit GOttes
ist also die maͤchtige Liebe GOttes gegen alle seine Creaturen, und inson⸗
derheit gegen die Menschen. So wie man sich selbsten alles Gute wuͤn⸗
schet, so, wie man sich selbsten gerne allezeit in einem vollkommenen ver⸗
gnuͤgten Wohlstand sehen moͤgte, und wie man gerne alle seine Kraͤfte und
fein Vermoͤgen darzu anwendet, sich in einem solchen vergnuͤgten Zustan⸗
de zu sehen, worinnen man hoͤchst vergnuͤgt leben kan; so koͤnnen wir auch
fagen: Es ist die allerhoͤchste und die allerbeste Fassung und Neigung in
dem Herzen GOttes zu finden, durch welche er die Noth und das Elend
auer seiner Creaturen, und insonderheit die Noth und das Elend seiner ver⸗
nuͤnftigen Geschoͤpfe der Menschen auf das deutlichste einsiehet und erken⸗
net, und da auch zugleich in Ihm der Wille liegt, nach welchen Er geneigt
ist, denen elenden und miserabien Creaturen, und insonderheit dem gefalle⸗
nen menschlichen Geschlechte, welches unter die Hand der Moͤrder gefal⸗
sen war, denn der Satan ist ein Moͤrder von Anfang, wie ihn der Hey⸗
land selbst nennet, (Johannis am 8.) wieder aus seinem Elend heraus zu
helfen, und da er auch noch darzu alles anwendet, was zu dieser Errettung
uͤnd Erloͤsung noͤthig ist. Das allerhoͤchste und vollkommenste goͤttliche
Wesen hat den Menschen nach seinem Bilde erschaffen. Also war der
Mensch gesund in seinem Verstande, gesund in seinem Willen, gesund in
8 Affecten und Begierden; der Verstand des Menschen war, voller
icht und Erkaͤnntniß GOttes, der Wille voll Gerechtigkeit und Heilig⸗
keit, und seine Begierden und Affecten waren in der vortreflichsten herr⸗
lichen Ordnung und Heiligkeit. Aber, der Moͤrder, der Satan, wagete
sich an dieses herrliche und fromme menschliche Geschlecht, und suchte es
um ihre Herrlichkeit und Gluͤckseeligkeit zu bringen, und es gluͤckte ihm
auch, denn es kam endlich mit dem menschlichen Geschlecht so weit, daß
es in die Haͤnde dieses Moͤrders fiel, und in seine Klauen gerieth. So
kam
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