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4 Hans Sachs' ausgewählte dramatische Werke.
Jahrhunderts, wurden geistliche Spiele ganz in deutscher
Sprache verfaßt. Die in die kirchlichen Schauspiele einge—
schobenen komischen Scenen wurden bald aus ihren Um—
hüllungen losgelöst, als etwas Selbständiges behandelt und
als Fastnachtspiele in einen Gegensatz zu den geistlichen
Spielen gestellt und weiter ausgebildet. Die Reformation
endlich, welche das Uebergewicht der Geistlichkeit beseitigte
und wieder zwischen Geistlichem und Weltlichem als gleich—
berechtigten Factoren schied, beförderte die Ausbildung eines
weltlichen Schauspiels.
Vergleicht man nun das, was der Nürnberger Meister
als Dramatiker hervorgebracht hat, mit den vor seiner Zeit
entstandenen Erzeugnissen der dramatischen Dichtkunst in
deutscher Sprache — also besonders unter Ausschluß der
lateinischen Schulkomödien —, so wird man sich nicht der
Einsicht verschließen können, daß Hans Sachs einen Mark—
stein in der Entwicklungsgeschichte des deutschen Drama's
/bildet. daß seine dramatischen Werke im Allgemeinen weit
über den Erzeugnissen der Vorzeit stehen. Unter den alten
Dramen finden wir kaum einmal ein wahrhaft dichterisches
Erzeugniß, die Dramen des Hans Sachs lassen trotz al—
ler ihrer Schwächen doch den gottbegnadeten, mit allen den
Eigenschaften begabten Dichter erkennen, welche wir in sei—
nen übrigen Dichtungen bereits kennen gelernt haben. Vor
Hans Sachs erhebt sich das Drama kaum über die roheste
Gesprächsform, und dabei tragen die Gespräche sehr oft
den Charakter trister Kanzel- oder Kathederweisheit; Hans
Sachs dagegen weiß wirklich dramatisches Leben in seine
Dramen zu bringen und trotz alles lehrhaften Bestrebens
den unangenehmen Prediger- und Schulmeisterton glücklich
zu vermeiden. Bei den Vorgängern unseres Dichters herrscht
in den komischen Stücken Rohheit, Zoten- und Possenrei—
ßerei, niedrigste Skandalsucht; bei Hans Sachs finden wir
nichts von alledem, bei ihm ist alles wohlanständig, wenn
auch derb, durchdrungen von ernstem sittlichen Streben, fein