Volltext: Beiträge zu Dürers Weltanschauung

schneller und sicherer könnte die Forschung vorwärts schreiten, 
wenn es dem Einzelnen heutzutage noch möglich wäre, wenigstens 
lie nächsten Nachbargebiete dauernd im Auge zu behalten, wenn 
z. B. Litteratur- und Kunstgeschichte in ständiger Fühlung blieben! 
Wie manches Rätsel löst sich wie von selbst, sobald man es vom 
Gebiete des Nachbars aus zu betrachten sich entschliesst. 
Dürers Reiter war allzulange betrachtet worden wie eine Art 
plötzlicher zeitloser Offenbarung des Genius. Es war wirklich 
ein grosses Verdienst Herman Grimms, demgegenüber hingewiesen 
zu haben auf eine zeitgenössische litterarische Quelle, das „Hand- 
büchlein des christlichen Ritters“ von Erasmus von Rotterdam. 
Damit war zunächst einmal der Beweis erbracht, dass das Blatt 
loch wenigstens in der gleichzeitigen Litteratur eine Parallele hat. 
Zugleich gewann durch jenen Hinweis die alte, wohl bis auf 
Dürers Zeit zurückgehende, von Sandrart überlieferte Benennung 
„der christliche Ritter“ mit einem Schlage wieder Blut und 
Leben. Und der Hinweis schien so in's Schwarze zu treffen, dass 
man sich bisher bei dieser Thatsache beruhigt hat. 
‘Im Jahre 1890 hielt Erich Schmid in der neuen Kirche 
zu Berlin einen Vortrag, der dann in der Deutschen Rundschau 
‘1890 Nr. 21) abgedruckt wurde, über das Thema „Der christliche 
Ritter, ein Ideal des 16. Jahrhunderts“. Ausgehend von dem 
Stiche Dürers schilderte er darin in anschaulicher Weise, wie die 
Vorstellung vom christlichen Ritter seit dem Erscheinen der Schrift 
des Erasmus allgemein verbreitet war, wie sie sich hindurchzieht 
durch die Kämpfe Luthers mit seinen Gegnern,!. durch die Kirchen- 
lieder und die erbauliche Litteratur, wie sie in :epischen und 
dramatischen Dichtungen und Moralitäten-Spielen bis tief in's 17. 
Jahrhundert hinein dem Volke nahegebracht wurde,? sodass man 
thatsächlich die Vorstellung vom christlichen Ritter als ein religiöses 
(deal der Reformationszeit und der darauf folgenden Jahrzehnte 
bezeichnen kann.‘ Das „Schlagwort vom christlichen Ritter“, dies 
„geflügelte Wort des 16. Jahrhunderts“. ist nach Schmids An- 
ı Uebrigens auch durch Luthers Tischreden. Ich verweise auf 
deren Ausgabe von Forstemann-Bindseil, 4. Abteilung p. ı5 No. 16. 
2 Zur Erweiterung des dort gegebenen Materiales vergl. auch die 
Zusammenstellung von J. Bolte in Strickers «Düdeschem Schlömer» 
Leipz. 1889 S.* 35,
	        
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