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Tages noch so begehrlich macht, so dass es in hohem Grade wünschenswert
erscheint, auf ein neues Aufblühen der Linnen-Fabrikation hinzuwirken.
In erster Linie steht hier die grosse Festigkeit und Dauerhaftigkeit
welche der Flachsfaser innewohnt und es vor Allem auch in lohnendster
Weise gestattet, auf die Anfertigung des Flachsgewebes den grossen Fleiss
und die Mühe zu verwenden. Dann kommt die bedeutende Länge sowie
die Rundung, Glätte und Gleichmässigkeit der Faser in Betracht, die auf
das Garn und Gewebe übergehend, diesem um so mehr Glätte und Glanz
verleiht, als nur eine geringe Anzahl von Faserenden auf die Oberfläche
tritt und die wollige Beschaffenheit ausschliesst, die dem Baumwollstoff so
eigentümlich ist, und denselben schlaft, schwammig und unsauber aussehend
macht, während die Leinewand immer steifer ist und sich sauberer hält. —
Im ungebleichten Zustande von warmer Farbe, gewinnt jedoch die Lein
wand nach der Bleiche zwar jenes bekannte eigentümlich kühle Weiss,
welches je nach der Lage der Fäden verschieden reflektiert wird und die
Zeichnung des Damastgewebes, aber auch nur unter einem gewissen Lichte
betrachtet, so eigenartig wie bei keinem anderen Gewebe zur Wirkung
bringt, allein auch nur bis zu einem geringen Grade die Anwendung von
Ornamentationen zulässt, da grössere Zeichnungen in den seltensten Fällen
übersichtlich und voll zum Ausdruck kommen. Diese Beschränkung wird
noch erheblich vermehrt durch die Schwierigkeit, die Flachsfaser lebhaft und so
zu färben, dass die Farben mit der Grundfarbe des Stoffes harmonieren. Man
ist hier eigentlich auf drei ausgeprägte Farben: Rot, Blau und Gelb und
dadurch auch auf geringere Farbenwirkung angewiesen. Da nun die künst-
lerische Harmonie aut den zwei Momenten Form und Farbe beruht.
so muss man es wohl in Rücksicht auf die besondere Eigenschaft des Leinen
gewebes für ungerechtfertigt erklären, die Leinengedecke mit grossen orna
mentalen Kompositionen, historischen Szenen u. dgl. in vielfarbiger Aus-
führung zu versehen. Die Verwendung der Leinewand zu Tisch- und
Bettzeug, Handtüchern, Servietten u. dergl. lässt nur in der Bordüre mehr
Freiheit in der Ornamention und darin liegt gewiss der Grund, warum man
in jener Zeit unserer Väter, die jetzt gerade wieder zum Aufblühen gelangt,
sich damit begnügt hat, die Fläche der Leinewand mit kleinen einfachen
regelmässigen Flach-Ornamenten, nur hie und da mit einem farbigen Spruch-
band oder in Kontouren gehaltenen Stickereien, die vom Tisch, über das
Bett, den Handtuchständer etc. weghängenden Kanten aber mit spitzen:
artigen, einfarbig (rot oder blau) durchstickten Einfassungen zu verzieren,
Als man von dieser „alter Väter Weise“ abging, und die Leinewand immer
mehr und mehr farblos, dahingegen, — verführt durch die Leichtigkeit, ınit
welcher die Jacquardmaschine beliebig ausgedehnte Figuren zu erzeugen
vermag — mit grossen figürlichen Darstellungen herstellte , verkannte
man sowohl die Natur und die häusliche Bestimmung als auch die ästhe-
tische Bedeutung dieses Gewebes. — Unverkennbar liegt in der jetzt vor-