Full text: Das Hans Sachsfest in Nürnberg am 4. und 5. November 1894

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—II. Die Festtage 4— 
Wie freudig, liebe Vaterstadt, hörst du sein Lob ertönen; 
Zählt ja der Mann, der Sänger traut zu deinen liebsten Söhnen, 
Die Heimatstreue, deutscher Sinn und Liedeslust beseelen. 
Nie mög' es dir, Frau Noris, je an solchen Recken fehlen! 
Er war ein Mann von Gott gesandt, gestellt zur rechten Stätte, 
Den deutsche Zucht und deutsche Art zum rechten Herold hätte — 
Drum klingt und singt voll Jubel heut' und Lust vom Fels zum Meere, 
Hans Sachsens Name, Nürnbergs Stolz, stets sei ihm Preis und Ehre! 
II. 
Welch wonnig weiche, sternenlichte, zephirdurchwehte Sommernacht, 
Vielsütßßer Blüten Atemholen in träumender Johannisnacht, 
Wohl breitet stiller, milder Frieden sein Banner über Berg und Flur, 
Nur hie und da ein Vogelstimmchen auf halberklung'ner Märchenspur. 
Und könnten wir auf Lerchenschwingen uns über der verklärten Au 
Erheben, sähen drunten wandeln wir eine königliche Frau — 
Geschmückt mit Kranze und mit Schleier, Hoheit durchgeistet Stirn und 
Sinn — 
Zum zinnenstolzen, türmereichen, dem altberühmten Nürnberg hin. 
Sie schreitet hehr durch Thor und Gatter, die dunklen Straßen schwebt 
sie fort, 
Wohin sie's drängte, bald sie weilt in eines Stübchens trautem Hort, 
Am off'nen Laden saß ein Knabe mit glüh'nder Wange, hellem Aug' — 
Aufschaut er zu dem Sternenhimmel, das Haupt umspielt von Nacht— 
winds Hauch. 
Wie es den guten Geistern eigen, Frau Noris naht ihm ungesehn, 
Sie liebet ja den hübschen Jungen, thät er zur Kirch' und Schule gehn; 
War er doch eines ihrer Kinder, dem stets ihr stilles Walten galt, 
Und dessen fröhliches Entwickeln ihr treulich Sorgen treu vergalt. 
Der Zukunft so geheimnisreich verhüllte Pforte that sich auf, 
Ein Blick belohnt die hohe Frau von ihres Lieblings Weltenlauf: 
Schlicht, bürgerlich, doch so bedeutend durch seiner Lieder Allgewalt — 
Ein Blick umfaßt voll Mutterliebe des Knaben zärtliche Gestalt. 
Wie segnend hebt sie Haupt und Hände, wie zögernd hat sie sich gewandt 
Und unbemerkt, wie sie gekommen, ein Schatten sie im Schatten schwand. 
Das war Hans Sachsens Jugendweihe, die nie aus seinem Innern wich 
Und mit dem letzten seiner Tage an Muttersegen reich verblich.
	        
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