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Zunächst wurde auch unter der Vorstandschaft des Herrn Rechts—
rat Jäger noch Jahre hindurch an der langen Reihe geselliger Ver—
gnügungen in keiner Weise gerüttelt. Sollte der Verein nicht ge—
waltsam reorganisiert werden, sondern sich wirklich in natürlichem
Fortschritt auf eine höhere Stufe erheben, dann mußte man, wenn
ich anders die Entwicklung recht verstehe, durch eine besondere Be—
tonung der musikalischen Veranstaltungen, durch deren Hebung
nach Form und Inhalt, die Mitglieder dahin zu bringen suchen,
eben darin die Hauptsache zu sehen. Konnte die Vorstandschaft
durch eine derartige Auffassung ihrer Aufgaben bezwecken, daß die
große Mehrzahl der passiven Mitglieder nur in den eigentlichen
Konzerten ihre Befriedigung suchte, von den übrigen Veranstal—
tungen aber nur gelegentlich oder gar nicht Gebrauch machte, dann
war der Zeitpunkt gekommen, den Verein seinem letzten Ziele zu—⸗
zuführen und ein reines Konzertinstitut daraus zu gestalten.
Wer mit uns das letzte Jahrzehnt im Verein durchlebte, der
wird zugestehen müssen, daß die Bälle, Unterhaltungsmusiken ec.
von der Vereinsleitung nicht gewaltsam beseitigt wurden, sondern
daß sie, nux von wenigen beklagt, nach und nach einschliefen als
etwas, was sich überlebt hat. Ich erinnere mich noch sehr wohl
der Zeit, in welcher hie und da ein paar aktive Mitglieder zu
sogenannten Unterhaltungsmusiken oder zu einem Ball geradezu
abgeordnet wurden, um zu konstatieren, daß bei der äußerst ge—
ringen Teilnahme die Beibehaltung dieser Veranstaltungen sich nicht
mehr verlohne.
Die letzte Unterhaltungsmusik wurde am 15. Nov. 1881, der
letzte Ball, ein Maskenball ohne Masken, am 18. Febr. 1882 und
der letzte ländliche Ausflug am 9. Aug. 1883 abgehalten. Daß
Hand in Hand mit den veränderten Tendenzen sich auch eine Wand—
lung im Bestand und der Zusammensetzung der passiven Mitglieder
vollzog, ist selbstverständlich, und ebenso ist es begreiflich, daß die
Zahl der Mitglieder damit abgenommen hat. Gegenwärtig suchen
eben nur noch solche die Mitgliedschaft des Vereins, die wirklich
Sinn für dessen ernste Bestrebungen haben. Der Privat⸗Musik⸗
verein bietet jetzt ausgesprochenermaßen seinen Mitgliedern nichts
mehr, als fünf Symphoniekonzerte unter Mitwirkung bedeutender
Künstler und einen Kammermusikabend.