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Lebens bei ihm war, ermahnte und ftärkte der liebe Altes ein
Brautpaar, das mich gar nahe angeht. Denn (ich, Schreiber
diefer Lebensgefchichte, wiN es dem Lefer wohl fagen) die Braut
ift mein einziges Kind, meine Kiebe Tochter Selma, und der
Bräutigam ift mir auch theuer, wie ein eigener erfigeborner Sohn.
Alfo, der Füngling und die Iungfrau fanden vor dem Sreife,
und er verftand e& noch, als man ihm fagte: die da find Bräu-
tigam und Braut, und er fireckte. die fegnenden Hände aus und
forach: „Kindlein, bleibet bei ihm.“ Und da die Braut fich
wo anders hingefekt hatte, fragte er: „wo ift Denn die Braut?
— Sa, meine lieben Kindlein, bleibet bei Ihm in Zeit und
Ewigkeit! 4
Und fo ermahnte er Alle, die zu ihm Famen, wenn auch
mit andern Worten, immer auf diefelbe Weife: Laffet uns Ihn
recht von Herzen lieben und bei Ihm bleiben, und die Brüder
lieben.
Km lebten halben Sahre feines Lebens Hatte der liebe Sreis
fchlagflußartige Zufälle befommen. Ohne die mindefte Angff,
fi und fröhlich wie immer, wartete er fie ab und faß dann
bald wieder in feinem Lehnftuhl auf. Die Schäden an den
Füßen, welche zuleßt brandig wurden, . mochten nun au fehr
fhmerzhaft werden, doch Fonnte man das nur errathen, Denn
unfer lieber feliger Sreis Lebte und ernährfe fich jeßt, wie wir
fehon fahen, in .und aus einer andern Welt, und die hiefige,
wozu denn auch fein Leib gehörte, ging ihn nicht mehr viel an.
Wenn daher manchmal, befonders in den lehten Wochen feines
Lebens, durch beengtes Athmen und häufige Veficatorien, die
man zur Erleichterung der Bruft anwenden mußte, die Schmerz
zen efwas groß wurden, da rief er den Arzt an, der nun bald
Fam und der alle Schmerzen und Kranklichkeiten des Leibes und
der Seele geheilt hat, betete (wie fehon erwähnt) einige Verfe
aus Paffionsliedern und wurde dan wieder ganz fill und froh
und heiter.
Bon anderm Troft mochte er ohnehin nichts mehr wiffen
— und ich und du möchten das am Sterbebette auch nicht.