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Karoline setzte sich, ohne eine Miene zu ver—
ziehen, mit einer Handarbeit dem Vater gegenüber.
Der alte Schmid griff nach dem Zeitungsblatt.
„Der sagt's ihm wieder tüchtig, der Herr Zu—
schauer! He, he he!“ lachte höhnisch der Alte. „Da
hör mal.“ Und er las mit seiner knarrenden
Stimme einen der üblichen Angriffe des Blattes
auf den Bürgermeister Rottmann vor.
Aber Karoline hörte nicht zu, sie suchte sich
klar zu werden, wie sie sich Anne Rottmann gegen—
über zu stellen hätte. Und sie wurde sich klar.
Schon am übernächsten Tag standen sich die
Mädchen wieder gegenüber im kleinen Tabaksladen.
Anne voll herzlicher Bereitschaft, Karoline herb und
zurückhaltend. Anne hatte in gewinnender Art
Karoline gebeten, fie zu besuchen.
„Ich danke Ihnen, Fräulein Rottmann, aber
es wäre eine völlige Verkennung der Umstände.
Was soll ich bei Ihnen, was stelle ich in Ihrem
Hause vor?“
„Meine Freundin!“ rief Anne impulsiv aus.
„Das wäre eine liebenswürdige Notbrücke, die
ich nicht betreten könnte, Fräulein Rottmann.“
„Warum nicht? Was nicht ist, kann doch
werden.“
„Kann, aber ist nicht. Und was man vorweg—
nehmen will, erhält man oft überhaupt nicht.“
„O, Sie sind stolzer, als ich verdiene,“ rief
Anne leicht gekränkt.
„Sie sehen, schon hierin sind wir zu ver—
schieden, Fräulein.“
eie sind ein eigensinniges Mädchen,“ sagte
Anne wieder liebevoll. „Sie können mir stolz die
Freundschaft ausschlagen, aber meiner Liebe können