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A. Allgemeiner Teil. II. Die Strate.
Eichhorn in seinem Gutachten 1799 aus, ist der Zustand der Ge-
fängnisse, die Behandlung der Gefangenen so übel beschaffen, als
in Nürnberg. Als das Allerschrecklichste zeichnet sich aber das
Loch aus. Hier verfährt man gegen jeden ohne Unterschied des
Verbrechens unmenschlich: KEinyekerkert in einem gruftigen Keller
ohne genügenden Schutz gegen den Frost und zumeist ohne Licht,
des Winters von athembeengenden Kohlendunst umhaucht, schmachtet
er — womöglich mit seinen schuldlosen Kindern vereint — oft
Jahr um Jahr, jeder menschenwürdigen Pflege beraubt. Be-
schäftigung oder sonstige Zerstreuung, Trost von Freunden preist
er als seltne Gunst des Glücks. Für den geistig und seelisch
Kranken geschieht nichts zu seiner Heilung, während der Gesunde
durch die Vorzüge dieses Kerkers der Schwermut und dem Stumpf-
sinn verfällt. Dabei die ekelerregende (im Lochgedicht durch
die Bezeichnung „leichenübel‘‘ charakterisierte) Verfassung der
engen Keuchen, die des Monats nur ein- oder zweimal geöffnet
und gereinigt werden. Zumal die Untersuchungsgefangenen er-
dulden das herbste Geschick, da sie zum Teil noch um den Leib
und an den Füfsen in Ketten geschmiedet — ob schuldig oder
nicht —- in die hintersten, düstersten Gelasse eingepfercht sind.
Kein Wunder, dafs hie und da längere Haft „l0co torturae“ mildernd
in Anrechnung kam. ®)
Sonst ist das Lochgefängnis bereits im Verfahren eingehend
besprochen. Von den einzelnen Kammern mag das Kindbett-
stüblein eines der erträglichsten, die Judenprisaun weniger luxuriös
ausgestattet gewesen sein. 3)
Auch hier treffen wir Sträflinge mannigfachster Art. Sehr
oft macht sie nicht der Charakter des Delikts, sondern ihr Stand,
ihre Herkunft zu des Lochwirts Gästen. So zählen hiezu ulle
nicht ritterbürtigen Fremden (selbst des Königs Koch). wie die in
35) S 4, Rentk. 1124; dortselbst auch eine Statistik der Gefangenen incl.
der wahnsinnigen. Die Behandlung letzterer äulserst roh; so wird ein solcher
mit Riemen auf einem Stuhle festgebunden, bis der unvermeidliche Brand
eintritt. Der sehr verdienstvolle Physikus Preu reicht 1802 ein Gutachten
über die Errichtung eines Irrenhauses ein. Über die nicht minder traurigen
Zustände in andern Gefängnissen d. Z. s. Arnim, Bruchstücke über Verbrechen
und Strafen, 1803. Bezgl. des bek. Lochgedichts, Waldau, N. Beitr., 1.
132, s. übr. H, Sachs, Keller, XIV, 249.
16) Rp. 1534, 5, 18; s. Verfahren, 88: Mummenhoff, d. Rathaus. 16