Volltext: Stenographischer Bericht der 34ten Generalversammlung Deutscher Müller und Mühlen-Interessenten zu Nürnberg vom 17. bis 20. Juni 1906 (34. (1906))

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In Amerika (dem angeblichen Emporium der Freiheit) hat man in 
einem der Vereinigten Staaten sogar folgende, m. E. der absolutesten 
Willkür Tür und Tor öffnende Vorschrift, die sich allerdings nur auf 
Düngemittel bezieht, von gewissen Stellen aber als eine solche bezeichnet 
worden ist, die auch für den Vertrieb von Futtermitteln anwendbar sei. 
Gesetzliche Bestimmungen betreffend die Kontrolle und den Verkauf von 
Düngemitteln und die Materialien zur Bereitnng derselben. 
Der „Commissioner of Agrikulture“ ist mit der speziellen Kontrolle, der 
Düngemittel beauftragt. Alle zum Verkauf im Staate bestimmten Düngemittel müssen 
ihm zuerst zur Analyse vorgelegt werden. Erklärt er irgend eine Marke für praktisch 
wertlos, so wird der Verkauf derselben verboten. Zuwiderhandlungen gegen diese Be— 
stimmungen und die von dem Commissioner hierüber erlassenen Detailbestimmungen 
werden nach 8 4310 des revidierten Code von Georgia bestraft, die Hälfte der Strafe 
fällt an den Angeber, die Hälfte an den öffentlichen Schulfonds des Staates. Ver— 
nachlässiigt der Commissioner seine Pflicht, diese Zuwiderhandlungen zu verfolgen, so 
verfällt er in dieselben Strafen, welche ebenfalls zur Hälfte an den Angeber und zur 
Hälfte an den Schulfonds fließen. 
Eine solche geradezu schikanöse Vorschrift erträgt wohl das soge— 
nannte „freie“ Amerika, aber nicht der angeblich polizeilich bevormundete 
Rechtsstäat Deutschland. Es ist nicht daran zu denken, daß eine solche 
Vorschrift, die eine einzelne Person allmächtig macht, bei uns auch nur 
ernstlich in Erwägung käme, geschweige Gesetz würde. Man kann ein solches 
Gefetz überhaupt nur im Lichte der angelsächsischen Rechtsentwicklung ver— 
stehen, die häufig dem Einzelrichter dieselben Befugnisse zuweist, die 
in Deutschland von drei Instanzen mit vielen Richtern ausgeübt werden. 
Es dünkt mich für unsere Verhältnisse eine unerfüllbare Aufgabe 
für den Bundesrat, seinerseits Vorschriften zu erlassen, unter welchen Be— 
zeichnungen die zahlreichen verschiedenen Futtermittel gehandelt werden 
dürfen, und wenn er dieser Aufgabe schon gewachsen wäre, so würden 
diese Vorschriften, die sicherlich sehr verwickelt ausfallen würden, nicht 
ohne weiteres überall anwendbar sein. Sie würden so schwierig zu er— 
fuͤllen sein, daß ihnen in kleinen Verhältnissen nicht immer Rechnung ge— 
tragen werden könnte. Außerdem würde eine solche Befugnis des Bundes— 
rates wohl nicht dem steten Wechsel der Technik und ihren Fortschritten 
folgen können; es bestände die große Gefahr, daß wirklich technische Fort— 
schritte durch veraltete Gesetzesvorschriften behindert, wenn nicht gar unter— 
drückt würden. 
Bei solchen Erwägungen muß nun selbstverständlich die Frage auf— 
tauchen, ob es denn uͤberhaupt angemessen ist, in dieser Angelegenheit 
das Heil von einem Strafgesetze zu erwarten; ob es nicht zweckmäßiger 
wäre, die zivilrechtlichen Vorschriften sachgemäß anzuwenden und nach 
Bedarf auszubauen. Hierzu ist im großen ganzen zu sagen, daß auch 
heute schon der betrogene Käufer zivilrechtlichen Schutzes nicht zu ent— 
behren braucht, und es wäre wohl erreichbar, diesen zivilrechtlichen Schutz 
noch schlüssiger und wirksamer zu machen, wenn man für den Futter— 
mittelhandel bestimmte Kontrakte (ähnlich wie für den internationalen Ge— 
treidehandel) einführte und den einzelnen Abschlüssen bestimmte Typen zu
	        
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