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meister stäubt Garnitur Nr. 2 seiner Para- und Ornamenten
und Altartücher aus. Die Schanzer legen die letzte Hand
an ihr aus Haar, Stroh und Pappe gefertigtes Kunstwerk,
welches unter genauer Beobachtung ausschließlicher Sicher⸗
heit an die Kirchweihgäste veräußert werden darf; die steifen
Roßhaarkravatten werden mit frischgewaschenen, weißen
Vorstößen — vulgo Halsstreifen — versehen. Der Kommandant
aber wünscht aus der Tiefe des Herzens, daß der Tag der
Freude ungetrübt, aber recht bald zur Neige gehen möchte. —
Da viel Zuzug auch von weiter her erwartet wird, sind
eine ganze Reihe von Vorsichtsmaßregeln hinausgegeben:
Die vermehrten Posten auf den Wällen um Abstürze und
andere Unzukömmlichkeiten zu verhüten, die beiden schuß⸗
fertigen Alarmkanonen, die doppelt sorgfältige Absperrung
der Schanzer und Civilarrestanten, die verstärken Thor- und
Pulverwachen und das auf dem Ravelin biwackirende Feuer—
picket, — all Dieses gibt dem Rothenberg ein vermehrt
interessantes, kriegsmäßiges Ansehen, wozu noch die fackel—
beleuchteten Kasemattenräume beitragen, deren Durchforschung
nur Honoratioren und Fremden unter Korporalsbegleitung
gestattet ist, während die misera contribuens plebs die
Geheimnisse derselben (d. h. der Kasematten) nur durch's
Eisengitter betrachten darf.
Der ersehnte Tag ist angebrochen bei wunderschönem
Herbstwetter, reinem Himmel und köstlich frischer Luft.
Punkt 6 Uhr fällt der Alarmschuß von der Bastion Amalie,
vom Musketenschuß auf dem Ravelin beantwortet, die Wachen
treten zur Ablösung unter das Gewehr, die Tagwache
rasselt von Bastion zu Bastion, Ablösung, Reserve und
Feuerpiquet in Waffen, die dienstfreie Mannschaft in Kappe
und Aermelweste wird im Brunnenhof aufgestellt und ver—
lesen, namentlich ausdrücklich vor Ausschreitung gewarnt,
welche außer fünfundzwanzig aus dem Salz nichts einträgt.
Die verstärkten Abtheilungen rücken zur Thorwache, dem
Ravelin und hinunter in's Pulvermagazin.