Volltext: 1834-1884 (2. Band)

154 Ein Kaspar-Hauser-Komplott. 
hatte dort nämlich den Kredit, den er seiner hohen Stellung verdankte, 
dazu benutzt, seine Mitmenschen auszubeuten und lin meistens sehr 
kleinen Posten und fast ausschließlich in Form von prolongierten 
Wechseln) mehr als 30000 Gulden Schulden zu machen. Die Art, 
wie einzelne der Schulden gemacht wurden, war empörend; denn 
es waren namentlich die kleinen Leute, wie Handwerker, Diener, 
Pfleger von armen Waisen u. dgl. die sich durch den Rang des 
Schuldners über seine wirklichen Vermögensverhältnisse täuschen ließen. 
Andlaw wurde schließlich so energisch veranlaßt, seine Entlassung zu 
nehmen, daß sein Minister, Freiherr von Meysenbuch in Karlsruhe, 
ihm eine Frist zur Abreise bestimmte und schließlich drohen mußte, 
ihn sonst arretieren zu lassen. Dr. Minet, der badische Geschäfts- 
träger in Wien, schrieb den 6. Juli 1856 an den genannten Minister: 
„Die finanziellen Verhältnisse des Freiherrn von Andlaw, in die ich 
von Stunde zu Stunde eine klarere traurige Einsicht gewinne, haben 
es mir zur absoluten Gewißheit gemacht, daß an dessen mögliche 
Abreise, nach Ablegung des diplomatischen Charakters, nicht mehr zu 
denken gewesen wäre, ich war selbst jetzt in dieser Beziehung erst be— 
ruhigt, als ich denselben im Eisenbahnwaggon wußte. Der Zustand 
des nun Abgereisten ist, im eigentlichen Sinne des Wortes, der der 
Entblößung, und nachdem der Entschluß zur Abreise ausgesprochen 
und ein ganzer Tag zur Auftreibung der dazu nötigen Geldmittel 
berstrichen war, mußte mir das Geständnis abgelegt werden, daß, da 
aller und jeder Kredit erschöpft, die Reise aus materiellen Gründen 
unmöglich sei. Ich habe gethan, was jeder in gleicher Lage gethan 
hätte, und diesem Hindernisse abgeholfen, denn außer mir konnte 
oder wollte es niemand, und es war dies das notwendige Opfer, 
welches einer auf längere Dauer unhaltbaren Situation gebracht 
werden mußte.“ 
Der Sünder selbst schrieb den 26. Juli darauf an den Minister: 
„Bis anfangs k. M. bleibe ich hier im Münsterthal; dann werde 
ich meine Schmach in irgend einem Winkel der Erde verbergen und 
geduldig und gottergeben hinnehmend, was mich betrifft, mich meinem 
traurigen, verdienten Geschicke überlassen.“ Und im November des— 
selben Jahres aus Straßburg: „Von meiner gegenwärtigen Lage
	        
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