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Zweiunddreißigstes Kapitel.
„Acht Jahre sind es her“, versetzte Frau Agnes zögernd.
„Man schrieb damals das Jahr 1520.“
„Acht Jahre!“ flüsterte Dürer vor sich hin. „Wie frühe
hat der Herrliche von hinnen gemußt! Die Wege Gottes sind
doch oft recht wunderlich.“
Danach legte er sich wieder zurück, schloß die Augen und
schlief nach einer Weile von neuem ein.
Frau Agnes blieb die ganze Nacht wach und dankte Gott,
als endlich die Morgenröte auf den Fenstern zitterte. Sie wusch
dem Gatten das Gesicht mit frischem Wasser, davon fühlte er
sich erquickt und dankte der getreuen Pflegerin als für einen
großen Dienst, wie er denn für jede, auch die kleinste Hilfs—
leistung erkenntlich war.
Um die neunte Stunde begannen sämtliche Glocken der
Stadt zu läuten. Da rief der Kranke laut: „Um diese Stunde
haben sie ihn ans Kreuz geheftet! Ach Herr Jesu, mit dem
Auge, mit welchem du den bußfertigen Schächer angesehen,
schaue auch mich an! Denn ich bekenne dir reumütig alle meine
Sünden, so ich in meinem ganzen Leben begangen.“
Er richtete sich jäh empor und seine Augen sahen stier in
der Kammer umher, daß Frau Agnes mit tödlichem Erschrecken
den Bebenden in ihre Arme faßte.
„Wie wird mir?“ rief er mit hohler Stimme, indem er
mit der Hand nach dem Herzen fuhr. „Siehe, ich sterbe! Herr
Jesu, hilf, Herr Jesu, erbarme dich mein!“
In furchtbarer Herzensangst rief Frau Agnes den Namen
des Geliebten — er hörte es nicht, seine Seele war bereits
in der Auffahrt zu dem, den er von ganzem Herzen geliebt und
dem er frommen Sinnes mit seiner Kunst sowohl als mit sei—
nem ganzen Wandel gedienet. — — —
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