Volltext: Albert Dürer

sichtchen, lang und fein geschnitten, von langen blonden Kinderlocken 
umrahmt, mit zart gebogener Nase, festgeschlossenem Munde und energisch 
contourirtem Kinn, aus träumerischen Augen vor sich hin, nachdenklicher, 
als sonst wohl Knaben dieses Alters blicken. Merkwürdig ist der Um— 
stand, daß die Augen nicht aus dem Bilde herausschauen und den Be— 
trachter ansehen, wie dies sonst bei Eigenbildnissen gewöhnlich ist. Das 
bis an die Augenbrauen herabfallende Stirnhaar wird von einer sonder— 
bar spitzen Kappe bedeckt, die dem Kleinen, zugleich mit dem offenbar auf 
Zuwachs berechneten, faltenreichen Kleidrock, ein besonders altehrwürdiges 
Ansehen giebt. Aus dem weiten Aermel steckt er das zarte, schlanke Händ— 
chen, mit stramm ausgestrecktem Zeigefinger, wie einen kleinen Wegweiser 
bor, als hätte er da schon vorgeahnt, wie er der Welt die Wege weisen 
wollte, die vor ihm noch Keiner gegangen. 
„Das hab ich aus einem Spigell nach mir selbs konterfet im 1484. 
Jar, da ich noch ein Kind war,“ lautet die Inschrift, die Dürer später 
selber darauf geschrieben, die Beglaubigung der köstlichen Originalzeich— 
nung der Albertina in Wien. So also hat der hübsche Goldschmiedsjunge 
in des Vaters Werkstatt ausgeschaut, und es war in jenen Zeiten nichts 
Neues, daß große Maler und Bildhauer aus solchen Goldschmiedewerk— 
stätten hervorgingen, wie in Italien die Pollajuoli, Ghirlandajo's, Francesco 
Francia und viele Andere. Für die Technik des Kupferstiches aber war 
diese Kunst sogar entschieden die beste Vorschule und Grundlage geworden, 
wie denn die Nielloarbeiten der Goldschmiede die ersten Anfänge des 
Kupferstiches enthalten und Dürer selber hat ohne Zweifel als wesentlichste 
Einwirkung dieser Lehrlingszeit seine Vorliebe und seine Vorbildung für 
den Kupferstich zu danken, der bis an sein Lebensende seine ausgedehnteste 
Thätigkeit in Anspruch nahm und seine genialsten Schöpfungen hervorrief. 
Freilich ist es ebensowenig in Abrede zu stellen, daß Dürer diese Gold⸗ 
schmiedsader, diese Richtung in das im Kleinen sorglich Vollendete, ein 
gewisses enges, bürgerlich Handwerksmäßiges in seiner Kunst, trotz seiner 
gewaltigen Begabung und späteren Entfaltung, nie ganz überwunden hat. 
Ebenso kann man mit Sicherheit annehmen, Raphael, sein großer Zeit— 
genosse, den man ihm unwillkürlich immer wie einen erfüllenden Gegensatz 
zur Seite zu stellen versucht ist — auch er, wäre nicht der Raphael ge— 
worden, wie wir ihn jetzt bewundern, so groß, so frei aus den natürlich 
beschränkten Anfängen seiner Kunstjüngerschaft hervorgegangen, hätte er,
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.