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irgend etwas in diesem Manne einem Fehler ähnlich sah, so war es sein
unendlicher Fleiß und seine Strenge gegen sich, die oft über das Maaß
hinausging.“ Die Ersten und die Besten seiner Zeit, Luther, Melanch—
thon, Erasmus, Zwingli, zu denen er in ein persönliches Verhältniß
getreten war, Alle achteten und schätzten ihn als einen ihres Gleichen.
Und wie er in den Herzen der Größten seiner großen Zeit lebte, so ersteht
er von Tage zu Tage verklärter und leuchtender vor dem Geiste der
Nachlebenden.
Nicht eine Apotheose des Lebenden konnte Ihnen der Biograph
des großen, deutschen Meisters vorführen — nicht eine glänzende Lauf—
bahn, wie die Sonne an einem heiteren Tage den hohen Himmelssaal
mit frohem Siegerschritt, wie ein Held, leuchtend durchmißt und mitten
in der Kraft ihrer Strahlen im eigenen Glanze vergeht und im Abend—
purpur verblutet — wie der göttliche Jüngling Raphael seinen Lebens—
gang vollendete!
Dürer leuchtet wie ein einsamer Stern der Nacht, der den Weg
durch Finsterniß hinwandelt, und durch dunkle Wolken den himmlischen
Strahl hinabsendet zur schlummernden Erde; ganz erkannt nur von den
Wenigen, welche die Nacht durchwachen, um Gedanken der Ewigkeit auf—
zunehmen in die Herzen in heiliger Stille! Er gleicht dem Himmels—
riesen Orion, mit dem strahlenden Gürtel und der funkelnden Wehr!
Wohl erblicken ihn alle die Sterblichen, die da aufschauen am Abend,
wenn die himmlischen Heerschaaren die Geisterwacht beziehen, aber wie
wenig schlaflose Augen folgen seinem leuchtenden Zuge vom Aufgange
zum Niedergange! Diese Wenigen aber, die in „der Betrachtung strenger
Lust“ ausharren, die höchsten Geheimnisse des Himmels im Lichte über—
irdischer Sonnen zu schauen — sie dürfen staunend erbeben, wenn sie
anfangen zu ergründen, daß diese Sonnen der Nacht Riesen sind gegen
die Sonne des Tages!
Und nicht umsonst tritt uns die gewaltige Lichtgestalt des verklärten
Meisters heute entgegen, an der Pforte des neuen Reiches deutscher
Nation, wiedergewonnen und erstritten im heißen Kampfe germanischer
Kraft gegen romanische Ueberhebung! Wie ein getreuer Eckart tritt er
uns entgegen, uns zu warnen vor dem Sinnentrug und Wollustreiz des
Venusberges, uns hinzuweisen auf die höchsten sittlichen Ziele des Lebens!
D