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der Dispute und der Spitzfindigkeiten müssen nun
der Zeit der Tat weichen. Ich fühl's, mit ganzer
Seele fühl' ich es, nun kommt die Zeit, die ganze
Menschen fordert und halbe zugrunde gehen läßt.
An Euch und Euer Amt kommen diese Anforde⸗
rungen nicht minder; seid stark und reif dafür, oder
legt das geistliche Gewand ab und geht in Eure
Heimat zurück.“ Rottmanns Augen blitzten voll
Feuer.
Des Vikars schmales Gesicht rötete sich bei der
Rede, die über ihn hinbrauste. „Ihr verwerft mich
als einen untüchtigen Menschen.“
„Nicht, wenn Ihr es nicht selbst tut.“
„Wenn ich bei Euch bin, dann beseelt mich
Euer Geist und ich denke, die Welt müßte voll Eures
Willens und Strebens sein. Aber ich finde nichts
— nirgends etwas von Eurem Geist. Und die
Welt, der ich leben soll, ist ö—de und dumpf.“
„Spürt selbst das heilige Feuer der Liebe für
die Menschheit in Euch und Ihr werdet es allent—
halben aufflammen sehen. Und wo noch keine
Brandstätte ist, da zündet.“
Der Vikar schüttelte den Kopf. „Ich fühle
keine Wärme und kein Feuer, ich fühle nur immer
den ewigen Mißklang der Welt, ich sehe nur allent—
halben Unvollkommenes, Halbes —“
„So soll Euch das beseelen, Unvollkommenes
der Vollkommenheit zuzuführen, das Halbe der Er—
gänzung reif zu gestalten —“
„Nit Worten, wie Pfarrer Bock heute?“
„Nein, Euch stünden solche Worte nicht an,
denn Euch kämen sie nicht aus dem Herzen, Euch
fehlt der kindliche Glaube und die bange Angst vor
einer unbekannten Gewalt, die diesem Glauben