Volltext: Die neue Zeit

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in Rottmanns Miene. Sie begegneten Anne mit 
achtungsvoller Zartheit. 
Wurde es Anne auch furchtbar schwer, plötzlich 
so ganz darauf zu verzichten, den eigenen Gefühlen 
und Gedanken nachzuhängen, weinte sie auch oft in 
ihrem Bett heiße Tränen um ihr verlorenes Glück, 
so stand sie doch jeden Morgen wieder mutig auf, 
in Gedanken an ihren Vater, der wirklich — mehr, 
um Anne die erbetene Kameradschaft zu gewähren, 
als aus einem inneren Mitteilungsbedürfnis — von 
den bevorstehenden Wahlen sprach und von den 
teilweis noch unvollendeten Einrichtungen, die der 
Heimat zugute kommen sollten, für die er gelebt 
und gearbeitet. 
Aber die Gedanken an des Vaters Berichte 
füllten Annes Tag nicht aus. Und die häuslichen 
Geschäfte, die Mutter ihr abtrat, die ließen doch 
ihren Gedanken zu viel Zeit und Spielraum. Für 
eine glückliche Braut oder Mutter waren wohl diese 
weiblichen Beschäftigungen geschaffen, die nur die 
fleißigen Hände in Anspruch nahmen, nicht aber für 
eine ringende Seele. 
Da begann Rottmann mit Anne über andere 
Ideen und Pläne zu sprechen, die, wohl zurück— 
gedrängt durch die Arbeit für die eigene Stadt, 
doch immer festere Gestalt annahmen, die gerade 
aus seiner Verwaltungstätigkeit heraus wuchsen und 
erstarkten. Er begann ihr von dem weiteren Vater⸗ 
land zu erzählen, nicht wie sie's in der Schule ge— 
lernt an der Hand von Geschichtstabellen, er ließ 
Deutschland vor ihr aufwachsen in seiner Zer— 
splittertheit, in seiner hilflosen Vielgliedrigkeit ünd 
mit den reichen, ungehobenen Schätzen. Und er 
begnügte sich nicht, daß Anne wieder Interesse ge—
	        
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