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„O, — das ist etwas ganz, ganz andẽres, das
ich sehe.“ Anne sah erregt vor sich hin.
„Das bilde Dir nicht ein,“ wehrie Hünnebach kalt.
„Ein zerstörtes Leben!“ Anne schluchzte auf und
wandte sich ab, wieder dem Fluß zu.
„Zerstörtes Leben! So, dabei stehst Du gesund
und kräftig vor mir. Wenn Du sagtest, ein ge⸗
quältes Herz, eine Liebe, die nicht vergessen kann!
Aber es ist gut, daß Du Dir und mit das nicht
vorlügst. Kind, fühlst Du denn nicht, wie erbärmlich
kleinlich Deine Gefühle sein müssen, daß sie Dich
so erbärmlich kleinlich machen.“
„Kleinlich — kleinlich?“ Anne stöhnte. „Laßt
mich vorbei, Onkel Hünnebach; was könni Ihr wissen!
Laßt mich vorbei.“
„Nein, Anne, nicht, ehe Du mich ganz gehört.
Ja, kleinlich! Größe würde ganz anders handeln.
Die würde Dir nicht gestatten, in egoistischer Selbst-
bespiegelung nur immer wieder an veinen verletzten
Stolz zu denken. Die würde Dir nicht die Augen
verschließen für Deine Umgebung. Du bist eine
Egoistin, ja. Weißt Du noch, wie ich Dir an den
Rosenbäumen im letzten Jahr das gleiche vorwarf?
Damals machte Dich Dein Glück egoistisch, jetzt tut's
Dein Unglück. Dein Unglück! Mein Gott, Kind,
hart ist's ja, ich glaub's, aus Liebesseligkeit und
Hoffnung so bitter geweckt zu werden. Aber zum
Zerstören — Kind, Kind schau doch um Dich!
Schau doch auf Deine Eltern! Ich hab' immer ge—
dacht, die Anne ist ein grundgesunder Mensch, die
zerbricht sich nicht gleich alle Knochen, wenn sie auch
einmal ein wenig unsanft aus allen Himmeln fallen
sollte. Hab' Dich überschätzt. Hab' auch gedacht,
Du wärst die Tochter Deines Vaters, der in sich
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